Mythos Quentin Tarantino: Das Selfmadegenie
Mit "Pulp Fiction" ist Quentin Tarantino zur Ikone der Popkultur geworden. Am Dienstag feiert er mit seinem neuen Film "Inglourious Basterds" in Berlin Deutschlandpremiere.
Zum Abschied kein einziges Wort. Am letzten Drehtag war Quentin Tarantino einfach weg und ließ das ganze Team seiner "Inglourious Basterds" sprachlos zurück. Mal wieder eine dieser Tarantino-Gesten: Filme machen, große Töne spucken, abhauen, alles ist bei ihm Arbeit am Mythos.
Aller Anfang des Mythos ist seine Biografie, vor allem der Job in der Videothek, der ihn zum allumfassenden Lexikon der Geschichte des Kinos gemacht hat. Alles, vom Grindhouse-Kino bis zur elitären Kunst, kennt der 46-Jährige - und ruft es im eigenen Werk jederzeit ab.
Aber erst seine Auftritte machen Quentin Tarantino zu dem öffentlichen Gesamtkunstwerk, das er ist. Dazu gehören seine gern lautstark verkündeten Pläne, aus denen dann meist nichts wird, sein eigenes Festival, auf dem er nur das Obskurste zeigt, seine immer offene große Klappe und seine übergroße Wertschätzung des eigenen Könnens. Es hilft bei der Inszenierung, dass Tarantino in der Tat ein Selfmadegenie ist, das nie eine Filmschule besuchte und aus kleinen Verhältnissen kam.
Schon mit dem ersten Film, "Reservoir Dogs", wurde er zum Geheimtipp, mit "Pulp Fiction" 1995 zur Ikone der Popkultur. Dabei spielen seine Filme, im Vergleich mit den Blockbustern jedenfalls, keine riesigen Summen ein, der letzte, "Death Proof", wurde sogar ein richtiger Flop.
Am Mythos kratzt das nicht. Nach wie vor ist Tarantino einer, dem in Cannes die Teppiche ausgerollt werden. Und einer, der Karrieren wiederbeleben oder auch Könner erst zu Stars machen kann. Das zeigt nicht zuletzt die Goldene Palme, die Christoph Waltz für "Inglourious Basterds" erhielt.
Das Eigentümliche ist: Im Schatten des selbst geschaffenen Mythos wird der Drehbuchautor Tarantino gern unterschätzt. So brachial er aufzutreten beliebt, so fein ist sein Gefühl für Sprache, Dialoge, aber auch das Timing von Auftritten, Szenen und Handlungsabläufen.
Zur Premiere seiner "Inglourious Basterds" kehrt er nun nach Deutschland zurück. Hier wurde der Film, eine kühne, kinoverliebte Alternativgeschichte des Zweiten Weltkriegs, gedreht. Tarantino wird bei seinem grußlosen Abschied vom Dreh schon gewusst haben: Er wird seine Basterds am Potsdamer Platz wiedersehen. Am heutigen Dienstag ist es so weit, der Film feiert seine Deutschlandpremiere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin