Mythos FC St. Pauli: Die Erben Störtebekers
Zum 100. Club-Geburtstag versucht der NDR den "Mythos FC St. Pauli" zu ergründen – und widmet den Braun-Weißen und ihrer Geschichte eine Halbzeit: 45 Minuten (Dienstag, 22.30 Uhr).
"1977 war ein großartiges Jahr für mich. Ich habe den Aufstieg mit St. Pauli in die Bundesliga geschafft. Ich habe Abitur gemacht. Ich war das erste Mal auf Mallorca", sagt Buttje Rosenfeld aus dem Hamburger Karo-Viertel. Der Fußball ist schnell, wenn es um Legenden geht. Und Rosenfeld, der vor 30 Jahren für den FC St. Pauli kickte, ist Teil einer Legende, die fraglos einen Gegenentwurf zu den medialen Hochglanzmythen eines Cristiano Ronaldo darstellt.
Im WM-Jahr 2010 wird der "letzte Stadtteil-Club im deutschen Profifußball" hundert Jahre alt und hat just zum Jubiläum den Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse geschafft. Der NDR widmet den Braun-Weißen und ihrer Geschichte eine Halbzeit: 45 Minuten. Schwungvoll geschnitten, erzählt die ordentliche Doku, wie aus dem Turnverein schließlich der linke Fußballclub St. Pauli wurde, Totenkopfflagge inklusive. Die gibt's allerdings erst seit gut 20 Jahren. Doch die Geschichte des Stadtteils am Hamburger Hafen ist untrennbar mit dem Fußball verbunden.
Bis heute steht das Familäre im Vordergrund: Neue Spieler bekommen zu Beginn jeder Saison erst mal eine Führung durch das heimische Gelände und werden im "Jolly Roger" auf ihre Fans losgelassen, die sie später im Stadion am Millerntor euphorisch unterstützen. "Nur dann versteht man diesen Verein wirklich", sagt der aktuelle Übungsleiter Holger Stanislawski. Obwohl "Stanni", der seit 1993, zunächst als Spieler, im Verein tätig ist, selbst bereits als Urgestein gilt, muss er in puncto Vereinszugehörigkeit Günter Peine den Vortritt lassen: Der ist Mitglied seit 80 Jahren. Und erzählt in der Doku von den 30er-Jahren, die er als Jugendspieler miterlebte. Damals tauchte eine SA-Größe auf und entriss dem beliebten Jugendleiter, den alle nur "Käptian Rudolf" nannten, das Steuer. Von nun an mussten alle in die Hitlerjugend, und nur wer brav bei den Heimabenden erschien, durfte am Wochenende spielen.
Der Film widmet sich ausführlich der NS-Zeit, was bei historischen Dokus über andere Bundesligaclubs nicht gerade die Regel ist.
Nach dem Krieg prägte ein sportliches Auf und Ab die Identität der Paulianer. Konstant präsentierten sich lediglich der Kassenstand (immer Ebbe) und der Gerichtsvollzieher (als Stammgast bei den Heimspielen).
Man hat sich dennoch nie unterkriegen lassen. Zur Not half ein Benefizspiel gegen den sonst mit Argwohn betrachteten FC Bayern, bei dem selbst dessen heutiger Präsident, Uli Honeß, vor wenigen Jahren seine "heimliche Liebe" für die Underdogs eingestehen musste.
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