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Archiv-Artikel

Mut zum Unterschied

Entschleunigtes Plaudern und ausgedehntes Fachsimpeln: „mono.kultur“ nennt sich ein neues Interviewmagazin,das jede Ausgabe einem Künstler widmet. Das erste Heft gilt Carsten Nicolai und seinen weiten Gedankenwelten zu Soundart

„mono.kultur“ wirkt aufwändig durchdacht und doch minimalistisch schön

VON PATRICK BAUER

Vivian Kea spricht so, wie sich das Magazin mono.kultur liest. Zurückhaltend, aber präzise, langsam und bedeutungsschwer. Vivian Kea sitzt an ihrem wie dekoriert geordneten Schreibtisch, am Ende des kahlen Galerieraums in der Brunnenstraße. Über allem liegt der Geruch von Dielen, frischen Kopien und lackierten Fasern, den man aus so vielen Galerien kennt, und als Keas sanfte Stimme fast symbiotisch durch die sonnenbestrahlten Weiten hallt, ist ihr tatsächlich zuzutrauen, eine solche Duftmischung als Eau de Toilette zu benutzen.

Nach dem Studium der Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte wurde sie Galerie-Assistentin und resümiert: „Man schlägt sich so durch.“ Doch eher tastet sie sich so durch, feinfühlig. Kea legt drei kleinformatige Hefte, fünfzehn mal zwanzig Zentimeter, vor sich, streichelt sie mehr, als dass sie in ihnen blättert: die ersten drei Ausgaben des neuen, monatlich zum Preis von drei Euro erscheinenden Künstlerinterviewmagazins mono.kultur, zu dessen Redaktion sie gehört. Gewiss ist die Zeitschrift eines dieser kleinen, mutigen und wichtigen Projekte, über die im Kunstbetrieb geredet wird, und wer darüber spricht, hält es nicht für nötig, dass woanders darüber gesprochen wird, höchstens noch in London oder bei „pro qm“, einer der Berliner Kunstbuchhandlungen, in denen mono.kultur vertrieben wird.

Hier sind die ersten hundert Exemplare der tausendfach gedruckten Erstausgabe schon vergriffen. Gerade bei „pro qm“, wo doch alles begann, wo Kai von Rabenau, Herausgeber und Initiator, einst seine kleinen Zettelchen auslegte. Interessierte Experten, Grafiker oder Journalisten, natürlich auch der Rest, sollten sich zur Gründung eines hochwertigen Gesprächsheftes bei ihm melden.

Kea ist schon lange mit dem Berliner Fotografen von Rabenau befreundet und sie sagt: „Ich bekam seine Leidenschaft mit für die Idee, ganz lange Interviews zu führen. Sich Zeit zu nehmen.“ Zeit nahm sich auch die heute sechsköpfige Redaktion. Vor zweieinhalb Jahren traf man sich erstmals bei einem Glas Wein, nach Feierabend natürlich, oder besser: nach Freiberufler-Tagesende. Schnell war klar: Das Geld, das von Rabenau bei einem Fotografiepreis gewonnen hatte, würde gerade mal für Material- und Druckkosten reichen.

Bis es in diesem September so weit war, wurde viel diskutiert, wurden Interviewer losgeschickt und Grundlegendes ersonnen. Etwa, auf Englisch zu erscheinen, sich damit die Zielgruppe noch ausgewählter zu machen und gleichzeitig globaler auftreten zu können.

Die wahre Besonderheit von mono.kultur aber ist nicht die exklusive, durchaus privilegierte Aufarbeitung von bildender Kunst, sondern es ist das Wörtchen Mono. Pro Monat wird nur ein Kulturschaffender vorgestellt, durch ein aufreizend ruhiges Gespräch porträtiert. In der ersten Ausgabe ist es der Installations- und Klangkünstler Carsten Nicolai, der 32 Seiten Platz bekommt. mono.kultur kommt aufwändig durchdacht daher und doch minimalistisch schön: Flächenaufwändige Abbildungen von Nicolais Werken sind verknüpft mit umso zeilenaufwändigeren Frage-und-Antwort-Epen.

„In einem Interviewmagazin wie Galore fehlt mir oft die Tiefe“, sagt Kea dann. Obgleich sie solch ein hastig verlagsfinanziertes Blatt nicht mit der Arbeit ihrer Freunde und Kollegen vergleichen will. Tatsächlich ist mono.kultur das genaue Gegenteil der Aneinanderreihung von Oberflächlichkeiten oder der nervösen Neugier eines Moritz von Uslar, der drehbuchartig zugespitzten Abfragerei der Tagespresse. Ein entschleunigtes Plaudern mal, häufiger aber ein ausgedehntes Fachsimpeln, akademisch widerspenstig, keine Komplexität fürchtend, detailgetreu auf der Suche nach dem künstlerischen Ich.

Der Mut zum Unterschied wird auch in der Gestaltung der einzelnen Ausgaben deutlich. Im hübsch-traurig wirkenden Oktoberheft kommt der Designer Frank Leder zu Wort, begleitet von Schwarz-Weiß-Aufnahmen einer Zugfahrt durch seine Heimat, während der das Interview entstand. Natürlich gibt es auch Längen, wo eher Verkopftes besprochen wird – und manchmal hätten einige Zwischenfragen mehr dafür gesorgt, dass die Interviewpartner ein breiteres Themenspektrum eröffnet hätten. Andererseits trägt gerade diese nie platt redigierte Ausführlichkeit zu einer Gesprächsauthentizität bei, die letztlich zu ganz eigenen Charakterisierungen ganz eigener Gedankenwelten führt. Außerdem lässt sich mono.kultur in solchen Momenten der Anstrengung einfach beiseite legen. Vivian Kea will das genau so. Auf die Kunstwerke in ihrer Galerie muss man ja auch mehrmals schauen, um alles zu erkennen.

„mono.kultur“ ist zu bestellen über redaktion@mono-kultur.de oder: mono.kultur, Naunynstraße 80, 10997 Berlin