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Muster-UrteilViele Biogasanlagen fragwürdig

Schleswiger Gericht erklärt Öko-Kraftwerk in Achtrup für rechtswidrig: Es sei zu groß und wie viele andere falsch genehmigt worden. Geklagt hatte eine Anwohnerin.

Auf die Leistung kommt es an: Gärtanks einer Biogasanlage. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine Vielzahl von Biogasanlagen in Schleswig-Holstein könnte rechtswidrigerweise errichtet worden sein. Das legt ein Urteil nahe, das kürzlich vom Verwaltungsgericht Schleswig gefällt worden ist. Die Crux liegt in einer Besonderheit der schleswig-holsteinischen Genehmigungspraxis.

Im aktuellen Fall geht es um eine Biogasanlage auf einem Hof in Achtrup bei Flensburg. Ein kleines Wohnhaus auf dem Gelände hatte der Bauer 1990 verkauft. 2009 ließ sich der Landwirt die Biogasanlage genehmigen. Die Eigentümer des Häuschens klagten dagegen:

Der von der Anlage ausgehende Gestank sei unerträglich und der Lärm der Laster, die Gärmaterial anliefern unzumutbar. Wie bei der Gerichtsverhandlung deutlich wurde, kommt noch ein drittes Problem hinzu: Das Öko-Kraftwerk ist zu Unrecht genehmigt worden.

Laut Baugesetzbuch darf ein Landwirt eine Biogasanlage mit bis zu 0,5 Megawatt elektrischer Leistung errichten, ohne dass ein Bebauungsplan nötig ist. Das Land Schleswig-Holstein veränderte diese Regel und setzte die Obergrenze für Biogasanlagen bei einer Wärmeleistung von 1,5 Megawatt an. Je nachdem wie effizient so ein Minikraftwerk arbeitet, holt es aus der gleichen Wärmeleistung mehr oder weniger elektrische Leistung heraus.

Der Wirkungsgrad der Anlagen habe sich in den vergangenen Jahren verbessert, sagt Hans-Peter Christensen, der Betreiber der Anlage in Achtrup. "Mit der gleichen Genehmigung sind jetzt 0,64 Megawatt möglich", sagt er.

Den Energie produzierenden Bauern verschafft das einen Vorteil, ohne dass dadurch die Umwelt stärker belastet würde. Das Gericht deutete in seiner mündlichen Urteilsverkündung an, dass das mit dem Bundesgesetz nicht vereinbar sei. Die Urteilsbegründung steht noch aus.

Henrik Osmers, der Husumer Anwalt der Klägerin, weist auf den grundsätzlichen Charakter des Verfahrens hin. Nach Angaben des Gerichts seien eine Reihe ähnlicher Klagen anhängig. Sollte sich seine Mandantin auch in den nächsten Instanzen durchsetzen, hätte das weitreichende Folgen.

"Da könnte eine ganze Menge Schadensersatz auf das Land zukommen", glaubt Osmers. Das Landesamt für Landwirtschaft hatte grünes Licht für die Anlage gegeben. Ein Kommentar des Landesamtes war am Dienstag nicht zu erhalten.

Eine gütliche Einigung zwischen den Parteien, wie sie das Gericht angeregt hat, ist nicht zu Stande gekommen. Ein Versuch des Landwirts, das Häuschen zurückzukaufen, scheiterte an weit auseinander liegenden Preisvorstellungen.

In seiner Urteilsbegründung werde sich das Gericht mit der Frage befassen müssen, ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt worden sei, ob es zulässig sei, so eine große Biogasanlage neben ein Wohnhaus zu setzen, sagt Osmers. Dazu kämen die vielen, teils nächtlichen Gärstofftransporte zur Anlage.

Nächtliche Transporte habe es nur in der Anfangszeit gegeben, versichert der Bauer Christensen. Einer überschlägigen Rechnung zufolge dürften es auch nicht allzu viele Transporte pro Tag sein. Eine 500-Megawatt-Anlage verbraucht knapp 30 Tonnen Maissilage am Tag, schätzt MT Energie, ein Hersteller.

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1 Kommentar

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  • M
    Mariposa

    Meine Anmerkung gilt insbesondere dem Kommentar in der taz nord vom 4. Mai: Herr Knödler schreibt sinngemäß, die Landbevölkerung soll sich nicht so anstellen, wenn es mal stinkt. Vielleicht stellen wir uns an, weil wir täglich sehen, was für Folgen der Ausbau von Biogas, die gesamte industrielle Landwirtschaft haben. Ich kann in drückenden Wetterlagen wegen der naheliegenden Schweinemastanlage keine Fenster öffnen, teils kriecht der Gestank durch die geschlossenen Fenster. Welch Bereicherung bei einem gemütlichen Fersehabend! Der Gestank ist das eine, meine Gedanken, wie sich die Anlage auf meine Gesundheit und den Wert des Eigenheims auswirken, das andere. Dieser Geruch hat nichts zu tun mit dem Güllegeruch von vor 20 Jahren. Und die Landschaft, die ich heute hier vorfinde, ist ärmlich gegen die, die hier vor 20 Jahren war. Vielleicht stimmt es darum, dass - wie Herr Knödler schreibt - Biogasanlagen die Landbevölkerung nicht wesentlich mehr belasten als der normale landwirtschaftliche Betrieb. Aber der ist eben in zunehmenden Maße auch problematisch.