: Muß man wie Tarantino sein?
■ Tom DiCillos Film-im-Film-Komödie Living in Oblivion
Zunächst läuft alles schief. Und dann wird es schlimmer und schlimmer. Die Schauspielerinnen sind absolut perfekt, nur hängt leider das Mikrofon deutlich ins Bild. So ist es am Anfang der Dreharbeiten zum Film im Film, den Living in Oblivion zeigt. Am Schluß dann wird die Hauptdarstellerin mit dem Hauptdarsteller geschlafen und sich mit ihm verkracht haben. Das Scriptgirl wird sich von dem Kameramann getrennt haben, was dieser nur schwer verwindet: Seine Fähigkeit zur Bildeinstellung wird deutlich von verheulten Augen getrübt. Und daß die Nebelmaschine selbstverständlich verfrüht ihren Geist aufgibt, das ist sowieso klar.
Das etablierte Hollywood mag eine Traumfabrik sein. In Living in Oblivion zeichnet der Regisseur Tom DiCillo den Independentfilm als Alptraummaschine. Sanft läßt er die Dreharbeiten einer New Yorker Very-Low-Budget-Produktion in eine verschachtelte Traum-im-Traum-Dramaturgie abkippen. Während auf dem geschilderten Set allmählich alles entgleitet, hatte er allerdings alles in der Hand: Living in Oblivion ist ein perfekter Film über das Chaos des Filmemachens.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Nick Reve, der Low-Budget-Regisseur, vom Schauspieler Steve Buscemi mit tragikomischen Zügen versehen. Er sollte der Fels in der Brandung der von Pannen, Psychokrisen und Eifersüchteleien gebeutelten Dreharbeiten sein. Nur leider wird er von Identitätskrisen geschüttelt. Nick Reve will wie Quentin Tarantino sein. Er wird wohl immer Nick Reve bleiben – und daß das bei allen Ambitionen nicht unbedingt erstrebenswert ist, den Eindruck gewinnt man in diesem Film. Trotzdem gut, Reve bei der Arbeit zugeschaut zu haben.
Dirk Knipphals
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