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Wochen-PostMuß man die Raver lieben wie sich selbst?

■ Warum die Love Parade nicht in den Tiergarten, sondern aufs Dorf gehört

Die Expertise aus der Bankgesellschaft hat etwas Rührendes an sich: 750.000 geben je 150 Mark aus, daraus resultieren schließlich 25,9 Millionen Steuereinnahmen, Berlin behält die Hälfte davon, gibt ein paar Milliönchen fürs Saubermachen aus, addiert den ideellen Metropolenmehrwert, der aus einer betriebswirtschaftlich nicht ganz sauberen Hochrechnung der Dezibelwerte und der zertrampelten Parks errechnet wird, und schon stimmt angeblich die Bilanz der Love Parade. Wenn überall in der Bankgesellschaft so gerechnet wird, wundert einen gar nichts mehr.

Die Rechnung stimmt hinten und vorn nicht, wie kürzlich Arnulf Conradi, der Verleger des Berlin-Verlages und ein Freund der Vögel und des Grünzeugs, darlegte. Der Tiergarten hat sich immer noch nicht von der Love Parade 1996 erholt. Kein Geld der Welt und Geld zur Beseitigung der Schäden, das die Veranstalter zwar pompös, aber knickrig ausgeben, kann einen Park innerhalb eines Jahres wiederherrichten.

Inzwischen gibt es genug Berliner Jogger, die am New York- Marathon teilnehmen und von daher wissen, daß es auch anders geht. Wenn Marathon ist, fliehen die Eingeborenen nicht; das ist schon ein gutes Zeichen für eine Großveranstaltung. Vernünftige Berliner verlassen nämlich ihre Stadt zur Love Parade. New Yorker laden, wenn sie in der Nähe der Laufstrecke wohnen, Freunde zum Frühstück ein und gucken aus dem Fenster zu. Wenn sie Teilnehmer des Marathons kennen, gehen sie in den Central Park, wo das Ziel ist, um ihnen Mut zu wünschen, laut, witzig, einfallsreich. Am Tag danach ist der Park von Alufolien und Pappbechern gesäubert, das ist alles. Die Jogger sind nicht auf dem Rasen und in den Büschen herumgetrampelt, für die Besucher gab es Toiletten, die wieder abgeholt werden.

Parks mitten in der Stadt, das wissen die New Yorker, sind heilige Orte, Kathedralen des zivilen, demokratischen Stadtlebens. Man überläßt sie nicht Leuten, die alles zerpinkeln und zertrampeln, und man berechnet ihren Wert nicht in Geld. Diese Art von Rechnen lernt eine Stadt nur, wenn sie lange schon eine Metropole ist. Berlin ist da Debütantin, um nicht zu sagen: Tingelgirl; es ist zu allem bereit, wenn nur die Scheinwerfer auf es gerichtet sind. Daß das Dörfchen Lieberose sich jetzt freiwillig als Exil für die Love Parade anbietet, sollte Berlin stutzig machen:

Ja, die Love Parade, diese Dröhnung aus Krach, Ekstase (nicht einmal in Fom von Pillen mehrwertsteuerpflichtig!) und Müll, ist was für Dörfer, denn sie ist eine Fortschreibung des Schützenfestes.

Lieberose oder Stalinallee oder Bonn, das dieselbe Profilneurose hat wie Berlin. Steuern sind nicht alles, was für große Städte zählt. Mechthild Küpper

wird fortgesetzt

Bericht Seite 4

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