Murdoch macht Times im Netz kostenpflichtig: Das sieht verdammt nach Zeitung aus
Die neuen Websites der Times und Sunday Times sind online. Wer sich ein Bild machen will, muss sich beeilen. Denn ab 1. Juni wird die Paywall hochgezogen.
Vielleicht hat ja auch die Stasi ihre Hände im Spiel: Wer am morgen gegen halb acht die Video-Story über die Stasi-Akte von Roger Boyes, des Berliner Korrespondenten der britischen Times, aufrief, sah sich mit einer höflichen Fehlermeldung konfrontiert. "Our man in Berlin on honey traps and the secret police" - dieser Klick führte zunächst mal ins Nichts.
Dafür funktioniert schon eine Menge anderer Neuerungen auf den vorab vorgestellten runderneuerten Websites der Times und ihrer sonntäglichen Schwester, der Sunday Times. Audio, Grafik und interaktive Elemente sind deutlich reichlicher vertreten als zuvor. Kein Wunder, soll und muss das neue, "Times +" genannte Angebot doch Mehrwert bieten: Denn ab dem 1. Juni werden weite Teile der Website für die NutzerInnen kostenpflichtig. "Wir wissen, dass es genügend Leute gibt, die für die Times und die Sunday Times bezahlen wollen – sie tun es schon heute, in dem sie die gedruckte Zeitung kaufen", sagte Times-Chefredakteur James Harding dem BBC Radio 4. "Natürlich ist das ein großer Schritt. Aber wir müssen damit aufhören, unseren Journalismus zu verschenken, denn damit deskreditieren wir ihn".
Die Kostenstruktur dabei ist zunächst recht simpel: 1 Pfund (ca. 1,20 Euro) für den Tag – soviel kostet auch die gedruckte Times – und 2 Pfund (ca. 4,40 Euro) für einen Wochen-Zugang. Den Chefredakteuren ist klar, dass die Titel selbst bei solch verhältnismäßig niedrigen Summen einen Großteil ihres Online-Traffics verlieren werden - Sunday-Times-Chefredakteur John Witherow ging in Interviews sogar von bis zu 90 Prozent aus. Doch das seien sowieso nur die "Window Shoppers", Zaungäste, aber keine richtigen LeserInnen, sagt Harding: "Wir wollen die Leute erreichen und behalten, die schon heute digitale Zeitungsleser sind. Und die werden auch bereit sein, zu bezahlen."
Die Times-Paywall zu umgehen, wird schwierig: Wer mit Stichworten nach Times-Content googelt, landet zukünftig nur noch auf einer Times-Startseite, die zum registrieren und bezahlen auffordert. Dass dadurch relevante Geschichten aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden, wichtige Times-Inhalte wie Exklusivgeschichten oder Kolumnen gegen Angebote der Konkurrenz wie des Guardian, der weiter auf freien Zugang setzt, auf der Strecke bleiben, glaubt Harding nicht. "Wir leben in einer so vernetzten Welt, in der die neuen Medien als Verstärker wirken. Da wird keine gute Story, kein guter Kommentar verloren gehen – eher zum Gegenteil."
Und wie sieht das neue Angebot aus, für das die LeserInnen ab Juni bezahlen sollen? Während die Sunday Times eher magazinig daherkommt und sogar einen "Reading Room" anbietet, in dem die reinen Artikel nackt und ohne Fotos oder Links gelesen werden können, machgt die tägliche Times erstaunlich auf klassische Zeitung: Sehr aufgeräumt, mit einer Titelseiten-Anmutung inklusive Aufmacherfoto und Anreißern, die eins zu eins aus der gedruckten Zeitung entnommen scheinen. Einer gedruckten Times, die es so allerdings gar nicht mehr gibt: Der erste Eindruck erinnert stark an die alte, "Broadsheet"-Times im großen, klassischen Zeitungformat. Doch wie die Frankfurter Rundschau oder das Handelsblatt in Deutschland ist die gedruckte Times längst zum früher den Boulevardzeitungen vorbehaltenen "Tabloid"-Format geworden – und um die Hälfte geschrumpft. Viele sagen, damit sei auch das Niveau des zu Rupert Murdochs internationalem Medienkonzern Newscorp gehörenden Blattes gesunken. Auch hier versucht die Times offenbar, mit ihrer Website wieder etwas gut zu machen.
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