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MundwerkChristoph Raffelt Der Weisheit bester Schuss

In den dunklen Zeiten der 1970er, in denen gerne Mettigel und Käsepicker gereicht wurden, gab es eine eiserne Regel: Zum Käse wird Rotwein getrunken. Wer diese Regel aufgestellt hat, ist nicht klar. Doch viele sind dieser Regel wie die Lemminge gefolgt, obwohl sie weder dem Käse noch den Weinen je gerecht geworden wäre: Rotwein passt nur in seltenen Fällen zu Käse.

Das liegt vor allem daran, dass das Fett, der hohe Salzgehalt und die im Käse vorhanden Milcheiweißstoffe überhaupt nicht mit den Gerbstoffen des Rotweins harmonieren.

Es gibt nur wenige wirklich gelungene Ausnahmen. Cremige Käse wie Brie de Meaux und Camemberts zum Beispiel harmonieren mit jungen Pinots, Beaujolais oder Chianti ohne massiven Holzeinsatz. Hartkäse wie Parmesan, Manchego oder alte Gouda passen zu gereiften, klassischen Rotweinen aus Bordeaux, dem Piemont, der Rioja oder der Toskana. Portwein wie auch süße Weißweine erzeugen mit Blauschimmelkäse geradezu eine Geschmacksexplosion.

Bei allen Kombinationen kann man sich merken, dass das Alter des Käses eigentlich immer zum Alter des Weins passen sollte. Ein gereifter Port darf also von einem gereiften, kräftigen Stilton begleitet werden.

Ein Munster, jener äußerst kräftige Käse aus dem Elsass, verlangt nach einem Gegenpart in Form eines kräftigen Gewürztraminers, der meist ebenfalls aus dem Elsass kommt. Dass Käse und Wein, die aus den gleichen Regionen kommen, besonders gut harmonieren, kommt sehr häufig vor. Zum Beispiel auch beim Chaource, der aus der Champagne stammt und zu ebendiesem auch passt. Ebenso ist es beim Comté, der wie der weiße Savagnin aus dem Jura stammt.

Eine fantastische Kombination ist Crottin de Chavignol, jener Ziegenkäse aus dem Nachbarort von Sancerre, der perfekt zum Sancerre oder auch anderen Sauvignon blancs passt. Auch da gilt: junger Käse zu jungem Wein, gereifter Crottin zu holzausgebauten, gereiften Sauvignons.

Wunderbare Käsebegleiter sind Rieslinge sowie weiße Burgunder. Jung, frisch und gerne auch fruchtsüß trinkt man sie zu Frischkäse aller Art. Opulentere und gereiftere Rieslinge oder Burgunder sollte man zu Käse mit erhitztem und gepresstem Teig reichen. Das sind Käse wie Appenzeller, Tomme de Savoie, Taleggio oder Morbier, deren Kraft und Salzgehalt einen starken Gegenpart fordern und gleichzeitig holzige Noten des Weins einzufangen vermögen.

Die Mutter aller gelungenen Kombinationen wiederum stammt aus dem Süßweinbereich. Mindestens so intensiv wie der angesprochene Port und Stilton ist ein Sauternes aus Bordeaux oder eine deutsche oder österreichische Beerenauslese zu einem Roquefort.

Der intensive Fett- und Salzgehalt neutralisiert fast vollständig den Alkohol und das Adstringierende des Weins. Was bleibt ist eine geradezu betörend intensive Frucht und die Komplexität des Weins, die unterlegt wird mit Noten des Botrytis-Pilzes vom Wein sowie den Blauschimmelnoten des Käses. Mehr Intensität ist kaum möglich.

Statt eines Weines empfehle ich heute ein Buch, das sich mit den Grundlagen von Wein und Speisen befasst und von der erfahrenen Sommelière Christina Fischer geschrieben wurde: Es heißt „Wein & Speisen“ und hat den bemerkenswerten Untertitel „Leidenschaft mit System“. Es ist in der Edition Fackelträger erschienen.

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