Multikulti funktioniert immer noch am besten zu Tisch: Politik mit Piri Piri
Zu Hause bei Fremden
von MiguelSzymanski
Um Probleme zu lösen, muss man sich hinsetzen und gemeinsam essen. Nachdem meine Familie Mitte der 70er Jahre aus Portugal nach Deutschland ausgewandert war, fuhr mein Vater zehn Jahre lang mittags von der Arbeit mit dem Auto nach Hause, wir setzten uns alle an den Tisch und aßen zusammen zu Mittag.
Wir waren immer mindestens sieben, meine Geschwister und meine Eltern. Mein Vater, ein Deutscher, der 20 Jahre seines Berufslebens in Südeuropa verbrachte und dort meine portugiesische Mutter heiratete, musste die Gepflogenheit seiner längeren Mittagspause erst im deutschen Umfeld durchsetzen. Es war nicht leicht. Der Besitzer des mittelständischen Unternehmens akzeptierte es nur widerwillig, tat es aber dennoch, wahrscheinlich weil er und mein Vater sich schon von der Algarve her kannten, wo der Chef ein Ferienhaus hatte.
Wenn deutsche Schulfreunde nach der Schule zu uns kamen, staunten sie und fragten oft, ob jemand Geburtstag habe. Ich erklärte immer, es sei unser normales Mittagessen, und verstand selbst nicht, dass es in Wirklichkeit eine tägliche politische Diskussionsrunde war. Eine, die wir Kinder langfristig gewannen, wie meine Eltern selbst zugaben: Im Laufe der Jahre schwenkten sie von der CDU zu den Grünen.
Nun bin ich es, der das politische Gespräch am Esstisch weiter kultiviert. Vor Kurzem habe ich mit einem alten befreundeten Ehepaar beim Essen die Probleme Afrikas gelöst. Anoi ist aus Ghana, seine Frau ist Deutsche, beide waren vor vielen Jahren unsere Familienärzte.
Mit einer ehemaligen portugiesischen Hausnachbarin aus Faro, Maria João, und ihrem Mann Scott aus den USA – sie leben beide auf Hawaii – haben wir Lösungen für die amerikanischen Postpräsidentschaftswahl-Szenarien gefunden. Auch ihren Theorien zu Reinkarnation und Chemtrails hörte ich mit Interesse zu, wenn ich dabei auch den gegrillten Tintenfisch etwas skeptischer kaute. Diese Woche saßen schließlich mein Neffe Philip und Zirak, ein Freund von ihm, nach dem Surfen im Westatlantik bei uns zum Abendessen, und ich habe eines von Philips Lieblingsgerichten zubereitet. Fingergroße Gambas, die wir mit den Händen geschält haben. Dazu Olivenöl mit Piri Piri und dünne getoastete Brotscheiben mit Butter. Philip, der Sohn meiner jüngsten Schwester, ist Halbmarokkaner, Zirak ist Kurde. Beide sind Anfang zwanzig und studieren in Deutschland Textiltechnik und Modedesign. Beide sind coole Bartträger und sehen eher arabisch als alemannisch aus. In Mönchengladbach, wo sie studieren, merken sie nichts von Fremdenfeindlichkeit, erzählen sie. Auch nicht in Düsseldorf und Köln, wo sie jobben.
Am Tisch sitzend lerne ich, dass nach ihrer langjährigen Erfahrung Integration in deutschen Großstädten sehr gut funktioniert. Zirak erzählt, Feindlichkeiten habe er in den ersten Monaten im Flüchtlingsheim mitbekommen. Gegen die Fenster geworfene Steine und Ähnliches. Aber das habe er überwunden, und es habe sich gebessert, je weiter er in Deutschland nach Westen gezogen sei.
Im Gespräch mit den Jungs sehe ich Hoffnung für Deutschland, trotz der Flüchtlingskrise. Ich hatte erwartet, zwei junge Menschen, die ein Außenstehender ihrem Aussehen nach – vom sehr relaxt modischen Outfit abgesehen – eher dem muslimischen als dem christlichen Kulturkreis zuordnen würde, hätten über schlechte Erfahrungen zu berichten. Das Gegenteil war der Fall. Und die einzige Veränderung, die die beiden im Sinn hatten, war, Deutschland etwas cooler zu machen. Und eventuell zum Surfen zu konvertieren.
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