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Mütter gegen Atomkraft"Ich bin erschüttert, entsetzt, wütend"

Gina Gillig von den "Müttern gegen Atomkraft" kritisiert die Bundesregierung und die Stromkonzerne. Und spricht darüber, dass sich Männer von ihrer Organisation abgeschreckt fühlten.

"Mütter haben mit der Erziehung der Kinder eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft", sagt Gina Gillig. Bild: dpa
Interview von Kim Eberhardt

taz: Frau Gillig, Sie haben nach der Tschernobyl-Katastrophe mit anderen Frauen den Verein Mütter gegen Atomkraft gegründet. Ihre Kinder sind längst erwachsen. Wenn Sie heute die Bilder aus Japan sehen, was geht Ihnen da durch den Kopf?

Gina Gillig: Ich bin erschüttert, entsetzt und wütend über die Hilflosigkeit, mit der wir noch immer den Atomkonzernen und den Atomparteien ausgesetzt sind. Fukushima zeigt, dass wir nun erst recht weiter Druck von unten machen müssen, damit ein zukunftsfähiges Energiesystem aufgebaut wird.

Wie wollen Sie diesen Druck aufbauen?

Wir brauchen zivilen Ungehorsam, um etwas zu bewegen. Und gerade Frauen haben die Kraft, jetzt eine Veränderung zu bewirken.

Bild: Mütter gegen Atomkraft
Im Interview: MÜTTER GEGEN ATOMKRAFT

MÜTTER GEGEN ATOMKRAFT Gina Gillig (57) ist Gründungsmitglied des Vereins Mütter gegen Atomkraft und seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986 im Vorstand tätig. Heute erhält die Bürgerinitiative wieder Zulauf. www.muettergegenatomkraft.de

Wieso das?

Das Symbol, das hinter dem Begriff "Mutter" steht, ist die Sorge um die Schöpfung und die Bewahrung der Lebensumstände für die nachfolgenden Generationen. Das ist ein sehr mächtiges Symbol, das nach Tschernobyl eine große politische Kraft entfaltet hat. Die Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder treibt uns an.

Gegen Mütter lässt sich schlecht Politik machen.

Ja, das stimmt.

Was haben Sie denn die letzten 25 Jahre getan?

Täuschen Sie sich nicht: Wir sind eine der wenigen Organisationen, die es nach Tschernobyl noch immer gibt. Wir haben fast 1.000 Mitglieder, veranstalten regelmäßig Mahnwachen, geben jährlich zum Tschernobyl-Jahrestag die Zeitung Mutter Courage heraus. Wir sind vernetzt mit zahlreichen Initiativen, organisieren seit 1990 die Hilfsaktion "Kinder von Tschernobyl" in die Ukraine. Und wir betreiben im Landkreis Miesbach eine eigene Messstation zur Messung der Radioaktivität in der Luft, um die Strahlung dort unabhängig ermitteln zu können. Jetzt gerade organisieren wir in vielen kleinen Orten, vor allem in Bayern, wieder Mahnwachen.

"Immer dran denken: Stromspitzen senken!" – Undatierter Aufkleber der "Mütter gegen Atomkraft" Bild: Stephan Moesel | CC-BY

Und sind Sie noch immer ein reiner Mütterverein?

Vereinzelt gab es bei uns schon damals Väter. Früher haben sich die Männer aber von uns abgeschreckt gefühlt. Der Begriff "Mutter" ist ja auch mit Rollenklischees behaftet: die Mutter hinter dem Kochtopf, die in ihrer Wahrnehmung ziemlich beschränkt ist. Wir wurden damals oft belächelt. Das hat sich geändert.

Dann sind Sie heute also "Eltern gegen Atomkraft"?

Es gab Diskussionen, uns umzubenennen. Wir sind bei dem Namen geblieben. Mütter haben mit der Erziehung der Kinder eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft, die wir mit unserer Arbeit positiv besetzen. Es ist ein Skandal, dass ein E.on-Vorstandsmitglied ein höheres Ansehen genießt als die Mutter mit ihrer Erziehungsarbeit. Das können wir nur selbstbewusst verändern. Jetzt müssen wieder die Mütter auf die Straße gehen, damit diese Bundesregierung begreift, dass es keine Zukunft für die Atomkraft geben darf.

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10 Kommentare

 / 
  • HJ
    Hans-Henning Judek

    Gruß aus Japan. Wir sind nicht nach Deutschland zurückgegehrt, sondern haben in Tohoku energisch geholfen.

     

    Jetzt sind wir dabei, mit den Müttern UND Vätern in Fukushima ein Lösung zu finden, wie man das Cäsium aus dem Boden bekommt. Schaut doch einfach mal in unsere Webseite - http://tohokuearthquake-help.com und wenn möglich, engagiert euch.

  • M
    Markus

    Wer sich an den MgA stört, kann seine Augen richten auf die Frauen die Atomkraft gut finden

    http://www.women-in-nuclear.de/WiN/

    Die haben sogar 2.500 Mitglieder.

     

    Alles ist gut.

  • A
    Andreas

    „Es gab Diskussionen, uns umzubenennen. Wir sind bei dem Namen geblieben. Mütter haben mit der Erziehung der Kinder eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft, die wir mit unserer Arbeit positiv besetzen.“

     

    ... nichts sagen sagt auch was: Mütter haben die Erziehungsfunktion, Männer anscheinend nicht. Mit diesem Satz drängt sich mir der Eindruck auf, dass es sich hier in erster Linie um Hausfrauen handelt, die ihre unbefriedigende berufliche Situation mit Abwehrreflexen rechtfertigen (ich bin Mutter und Hausfrau weil nur Frauen das wirklich können). Der darauf folgende Satz bestätigt diese Vermutung.

     

    Entschuldigt, aber Leute die so unreflektiert an Rollenklischees festhalten kann ich nicht wirklich ernstnehmen.

     

    Und lieber Herr Wald, danke für die gute Realsatire am Morgen... „ICH produziere keinen Atommüll“ - toll. Gut dass man jetzt beim Googlen Ihres Namens herausfindet, was für ein toller Kerl Sie sind. Wahrscheinlich kaufen Sie auch nur Bio und stehen dann im Supermarkt mit stolzgeschwellter Brust an der Kasse.

    Ich hab absolut nichts gegen bewusstes Einkaufen, ganz im Gegenteil. Aber dieses selbstgerechte „seht alle her, ich engagiere mich mit meinem Portemonnaie“ geht mir ziemlich auf den Geist.

  • P
    Paria

    Wenn ich die Kommentare hier lese, dann sehe ich schwarz für unser aller Zukunft.

     

    Die einen hetzen gegen die Mütter, die anderen hetzen zurück, gegen die Männer. Und der nächste hetzt gegen die Kinderlosen...

     

    Und so schnell scheint vergessen, dass es doch eigentlich gemeinsam gegen die Atomkraft gehen sollte.

  • V
    vantast

    Ist schon so, Atomkraftwerke sind eine Männersache. Die Frauen waren allerdings schon in den 60er Jahren auf der Straße, um gegen sie zu protestieren. Sie hatten eher als die "Experten" begriffen, wie gefährlich und unbeherrschbar das Zeug ist. Selbst heute glauben die Einfältigen an ihren Segen, vermutlich fehlt ihnen die Fantasie.

  • G
    gecko

    zu Steffi

     

    Leider ist es wie immer, Frau ist die ärgste Feindin der Frau.

    Vielen Dank. Würden wir Frauen uns mehr vernetzen, ähnlich der Männerseilschaften, könnten wir wirklich etwas bewirken. Aber ... siehe Steffi - die Herren der Schöpfung freut das.

  • PW
    Peter Wald

    Bitte keine Krittelei ! Die Mütter gegen Atomkraft sind schwer okay und leisten seit Tschernobyl gute Arbeit.

     

    Wenn aber ich sehe, wer sich in der Bundesregierung für die Nuklearwirtschaft stark gemacht hat, kann ich nur warnen: Hütet Euch vor den Kinderlosen, die nicht an die Zukunft denken müssen!

     

    ICH produziere keinen Atommüll

    Immer mehr Mülltonnen von Privathaushalten tragen folgenden Aufkleber: "WIR produzieren keinen Atommüll - WIR beziehen Ökostrom aus Schönau."

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Peter Wald

  • A
    Alsinja

    Es gibts nicht Impertinenteres als einen politisch aufgeheizten Mütterverein (z.B. Eltern für unbelastete Nahrung EFUN).

     

    Was Ihnen organisatorisch noch am Besten gelingt ist Emotionalität zu kommunizieren. "Erschüttert, entsetzt, wütend." Das allerdings können Nicht-Mütter auch. Dann kommt die "Hilflosigkeit". Die ist wiederum mütterspezifisch, von Nicht-Müttern wird sie wegen vieler vorhandener Reaktionsmöglichkeiten nicht empfunden.

     

    Die emotionale Über-Betroffenheit klingt nach kurzer Zeit mit dem Abschwellen der Messwerte enorm ab. Dann sieht man die Mütter wieder ganz gelöst durch die Supermärkte ziehen und die nutzlosesten konventionellen Genussmittel in Massen für ihre Familien einkaufen.

     

    Bis dahin allerdings spielen sie die aufgebrachtesten Anti-Atomfurien weit und breit, sooo politisch, und sooo hilflos. Grosses Kino, weiter nix.

  • S
    Steffi

    Wenn Mütter eine so wichtige Rolle spielen, weil sie die jeweils nächste Generation prägen (was ich keineswegs bestreite) dann sind sie auch maßgeblich schuld daran, dass die Welt so aussieht wie sie aussieht.

    All die Atomlobbyisten wurden (wie überhaupt die meisten Leute, die rumlaufen) maßgeblich von Müttern und weiblichen Erziehungsarbeiterinnen erzogen.

     

    Saubere Leistung, Schwestern, ehrlich!

     

    Mal schön den Ball flach halten!

  • CC
    Claus Carstensen

    Aber natürlich haben wir Männer Angst vor erzürnten Müttern :)

     

    Wie sagt es so schön Sarah Palin:

     

    'You don't want to mess with Momma Grizzly'

     

    http://www.youtube.com/watch?v=L4hDpbzEv60