: Moskau verhängt Ausgangssperre
■ Sowjetregierung greift nach anti–armenischen Unruhen in Sumgait ein / Verletzte und Verwüstungen / Armee steht in Bereitschaft / Die Lage in Aserbeidschan bleibt gespannt
Moskau (rtr/ap/dpa) - Nach Zusammenstößen zwischen Aserbeidschanern und Armeniern ist jetzt eine Ausgangssperre über die aserbeidschanische Industriestadt der Stadt verhängt worden. In Moskau wurde offiziell bestätigt, daß es bei den Unruhen in Sumgait Verletzte gegeben hat. Über die von westlichen Medien gemeldete Verlegung von Panzern nach Sumgait sei nichts bekannt. Die Lage in Sumgait hat sich inzwischen beruhigt, bliebt aber gespannt. Die amtliche Nachrichtenagentur TASS hatte am Montag von Verwüstungen in der 180.000–Einwohner–Stadt berichtet. Ein Vertreter der Polizei von Sumgait berichtete telefonisch, Truppen mit gepanzerten Fahrzeugen sorgten für die Einhaltung der nächtlichen Ausgangssperre. Auch in Berg–Karabach selbst ist es nach telefonischen Berichten von Einwohnern in den vergangenen zwei Wochen zu Zusammenstößen zwischen Angehörigen der beiden Volksgruppen gekommen. Armenier sprachen von zahlreichen Übergriffen der Aserbeidschaner. Nach offizieller Darstellung sind bisher zwei Aserbeidschaner ums Leben gekommen. Ebenso wie TASS berichtete auch der in Moskau lebende Dissident Sergej Grigorjanz, ein Armenier, in Sumgait hätten Rowdies Leute gefragt, ob sie Armenier seien oder nicht, und sie bei der Antwort „ja“ niedergeschlagen oder auch niedergestochen. Mehrere Dutzend Aserbeidschaner seien an den Angriffen beteiligt gewesen. Unterstützt werden die Forderungen der Karabacher Armenier von ihren Landsleuten in der Sowjetrepublik Armenien. Die dortigen Massendemonstrationen, die am Wochenende ausgesetzt wurden, verliefen allen Berichten zufolge aber friedlich und diszipliniert. Nach Angaben von sowjetischen Journalisten sind dagegen die Proteste in der armenischen Hauptstadt Eriwan inzwischen gänzlich abgeklungen, nachdem Parteichef Michail Gorbatschow eine „gerechte Lösung“ für Berg–Karabach zugesagt hatte. Das Zentralkomitee der KPdSU wird sich am 26.März mit dem Nationalitätenproblem befassen. Für die Beibehaltung des gegenwärtigen Status der Region sprach sich das von Moskau entsandte Politbüromitglied Georgi Rasumowski aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen