: Moskau in Kontakt mit Karabach-Komitee
■ Gorbatschow schaltet sich persönlich in Verhandlungen mit Armeniern ein / Streikaufruf in Eriwan aufrechterhalten
Moskau (afp) - Die sowjetische Führung scheint in dem Konflikt um die armenische Enklave Berg-Karabach das offiziell als aufgelöst geltende Karabach-Komitee als Gesprächspartner zu akzeptieren. Wie ein Mitglied des Komitees gestern berichtete, hat Parteichef Gorbatschow sich am Montag indirekt an das Karabach-Komitee gewandt mit der Bitte, die Bevölkerung in der sowjetischen Republik Armenien zu beruhigen, bis eine definitive Lösung für die armenische Enklave in Aserbeidjan gefunden sei. Eine Delegation des Karabach-Komitees sei am Montag zum erstenmal vom ersten armenischen Parteisekretär, Suren Arutjunjan, empfangen worden, der die persönliche Botschaft Gorbatschows übermittelt habe.
Nach diesem Treffen informierte das Komitee eigenen Angaben zufolge noch am selben Abend auf dem Theaterplatz in der armenischen Hauptstadt Eriwan eine große Menschenmenge über Gorbatschows Botschaft. Das Komitee schätzte die Zahl der Versammelten auf 250.000. Das wären doppelt soviel wie auf den bisherigen armenischen Kundgebungen in diesem Monat. Unterdessen seien in der Nacht zu Dienstag Truppenverstärkungen nach Eriwan eingeflogen worden. Das elfköpfige Karabach-Komitee leitet seit sieben Monaten die armenische Massenbewegung für einen Anschluß der überwiegend von Armeniern bewohnten Enklave Nagorny-Karabach in der Nachbarrepublik Aserbeidjan an Armenien. Es war im Frühjahr offiziell aufgelöst worden.
Aurutjunjan habe während des Delegations-Treffens einen Anruf von Gorbatschow erhalten, berichtete das Delegationsmitglied weiter. Dieser habe darum gebeten, dem Komitee seine Nachricht zu übermitteln.
Der in der Nacht zu Montag ergangene Streikaufruf sei jedoch vom Komitee auf der Massenversammlung vor der Oper in Eriwan aufrechterhalten worden. Arutjunjan habe eine Sitzung des Präsidiums des armenischen Parlamentes vorgeschlagen, die Demonstranten auf dem Theaterplatz jedoch hätten eine Plenumssitzung des Parlaments gefordert.
Das armenische Parlament könnte die Nationalitätenkommission der UdSSR bei der „definitiven Lösung“ der Karabach-Frage unter Druck setzen.
Das Präsidium des Obersten Sowjets hatte die Nationaliätenkommission im Juli mit dieser Aufgabe betraut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen