Mordprozess gegen Gu Kailai: Dubioses Schnellverfahren ohne Urteil
Der heikle Prozess gegen Gu Kailai, die Ehefrau des Spitzenkaders Bo Xilai, endet schon am ersten Tag. Ein Urteil gibt es noch nicht, aber am Schuldspruch besteht kein Zweifel.
BERLIN/HEFEI taz/dapd/afp | Schon nach dem ersten Verhandlungstag ist der Mordrozess gegen die chinesische Anwältin und Politikergattin Gu Kailai und ihren Gehilfen wieder beendet worden. Ein Urteil erging in dem Verfahren nicht, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit fernab des Tatortes und ebenso fernab der Hauptstat in der Provinz Anhui stattfindet. Nach Meinung vieler Beobachter steht das Urteil in dem Verfahren längst fest.
Wann der Urteilsspruch erfolgen soll, blieb am Donnerstag offen. An einem Schuldspruch, der irgendwo zwischen zehn Jahren Haft und der Todesstrafe liegen könnte, gibt es jedoch keinen Zweifel. Dies betonte auch indirekt der stellvertretende Gerichtsdirektor Tang Yigan bei einer Pressekonferenz am Ende des Verhandlungstages. Er sagte, Gu und ihr Hausangestellter sowie deren jeweiligen Anwälte hätten der Anklage „nicht widersprochen“. Vielmehr habe ihr Anwalt, den sich nicht frei wählen durfte, dem Gericht gesagt, sie sei wür die Tat „verantwortlich“.
Laut Tang hätten die Angeklagten den britischen Geschäftsmann Neil Heywood im vergangenen November in einem Hotel in Chongqing betrunken gemacht und anschließend vergiftet. Heywood war ein langjähriger Vertrauter der 53-jährigen Gu und ihres Mannes, des im März entlassenen Politbüromitglieds und Parteichefs von Chongqing, Bo Xilai.
Es wird vermutet, dass Heywood den beiden half, Korruptionsgelder illegal ins Ausland zu schaffen. Darüber kam es jedoch wohl zum Streit mit Gu. Heywood soll damit gedroht haben, die illegalen Machenschaften des machtbesessenen Paares öffentlich zu machen. Bo Xilai, der beim nächsten KP-Parteitag im Herbst in das oberste Führungsgremium aufsteigen wollte, präsentierte sich öffentlich als knallharter Korruptionsbekämpfer und räumte so ihm unliebsame Personen aus dem Weg.
Korruption wird totgeschwiegen
Bisher sieht es so aus, als sei das Verfahren allein auf den Mordfall beschränkt und werde die Korruption des Spitzenkaders Bo und seiner Frau Gu nicht untersucht. Denn dies könnte die ganze Partei in Verruf bringen, die im Oktober bei ihrem Parteitag ungestört einen Führungswechsel durchführen möchte. Der Fall Gu könnte nämlich deutlich machen, wie das Paar sich mittels ihrer politischen Macht und Verbindungen bereicherten, wie es viele KP-Kader alltäglich tun.
Die Wirtschaftsagentur Bloomberg schätzte das Vermögen des Paares auf mindestens 135 Millionen Dollar. Bos Einkommen betrug nach offiziellen Angaben aber nur 1.585 Dollar im Monat. In China war er dadurch aufgefallen, weil er in Chongqing maoistische Propaganda wiederbelebt hatte und öffentlich sogenannte „rote Lieder“ singen ließ.
Wie ihr Mann zählt auch die nun angeklagte Gu zu den sogenannten Prinzlingen, also den Kindern hoher Revolutions- und KP-Kader. Ihr Vater Gu Jingsheng war General der Revolutionstruppen, fiel aber während der Kulturrevolution (1966–1976) in Ungnade. Als jüngste von fünf Töchtern musste Gu sich damals allein mit „niederen“ Tätigkeiten durchschlagen.
Nach der Rehabilitation ihrer Familie studierte sie an der renommierten Peking-Universität und wurde Anwältin mit einer eigenen Kanzlei. 1984 lernte sie Bo kennen, der damals Kader in der nördlichen Hafenstadt Dalian war. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn. 1997 machte Gu als Anwältin Schlagzeilen, weil ihre Kanzlei als erste Chinas einen Prozess in den USA gewann. In einem Aufsatz lobte sie die Effizienz der chinesischen Justiz im Vergleich zur US-amerikanischen.
Während ihr Mann zum Bürgermeister von Dalian, zum Provinzgouverneur, zum Handelsminister und schließlich zum Parteichef Chongqings aufstieg, gab sie ihren Beruf auf; laut Bo, um nicht in Interessenkonflikte zu geraten. Doch manche vermuten als Grund eher, dass sie als Geschäftsfrau an der Seite des zunehmend mächtigen Bo viel mehr Geld verdienen konnte.
Ein Freund der Familie
Das spätere Mordopfer Heywood half Gu ihren Sohn Guagua auf die britische Eliteschule Harrow zu bekommen. Britische Medien spekulieren auch über eine Liebesbeziehung zwischen der stets edel gekleideten Gu und dem zwölf Jahre jüngeren Briten. Laut AP ließ sie sich Horus nennen. So heisst in der ägyptischen Mythologie ein Himmels- und Königsgott.
Ehemalige Geschäftspartner beschreiben Gu als charmante Frau, die aber knallhart drohen kann. Xinhua attestierte Gu auch psychische Probleme. Die könnten einen Ausweg bieten und ihr die Todesstrafe ersparen. Dafür könnte ihr mitangeklagter Hausangestellter, der womöglich Heywood auf ihre Anordnung hin im Hotel vergiftete, als Sündenbock hingerichtet werden.
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