Mord an einem Iraker: Neonazis unter Tatverdacht
In Leipzig wird der vor einer Woche erstochene Iraker Kamal K. beerdigt. Einer der mutmaßlichen Täter war Mitglied der rechtsextremen "Kameradschaft Aachener Land".
Noch ist unklar, wie Kamal K. am Sonntag vor einer Woche genau starb. Keine vernünftigen Zweifel hat die Leipziger Staatsanwaltschaft aber daran, dass die beiden in U-Haft sitzenden Daniel K., 28, und Marcus E., 32, die Täter sind. Der Haftbefehl lautet auf gemeinschaftlichen Mord.
Mindestens einer der beiden mutmaßlichen Täter war tief in der rechtsextremen Szene verankert. Nach taz-Informationen war der gebürtige Leipziger Daniel K. Anfang des Jahrzehnts nach Nordrhein-Westfalen gezogen und dort Mitglied der berüchtigten "Kameradschaft Aachener Land" geworden. Fotos aus der Zeit zeigen ihn mit einem Banner und einem T-Shirt der militanten Neonazitruppe sowie auf einer NPD-Demonstration.
Der 19-jährige Kamal K. war nach einem Discobesuch am Sonntagmorgen mit seiner Freundin und einem Bekannten in einer Parkanlage am Leipziger Hauptbahnhof unterwegs gewesen. Gegen 1.40 Uhr wurde er dort von den beiden Männern niedergeschlagen und mit einem Messer verletzt. Er konnte sich noch zur nächsten Straße schleppen, brach dort zusammen und starb wenig später im Krankenhaus.
Die Vermutung, dass mindestens einer der beiden Täter aus der rechtsextremen Szene stammt, war rasch aufgekommen. Zur Vorführung beim Haftrichter hatte sich Daniel K. zum Schutz vor Fotografen einen Pullover über den Kopf gezogen, auf dem "Kick off Antifacism" stand. Zu deutsch: Antifaschismus weghauen.
Dennoch hält sich die Staatsanwaltschaft mit Aussagen über ein Tatmotiv noch zurück. "Wir können einen ausländerfeindlich motivierten Mord nicht ausschließen", sagte der Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft, Ricardo Schulz. "Uns fehlen aber noch die sicheren Anknüpfungspunkte." Laut Polizei schweigen die beiden Beschuldigten. Weitere Zeugen werden gesucht.
Marcus E. und Daniel K. sind beide erst in diesem Jahr aus dem Gefängnis freigekommen. Daniel K. war im Sommer 2007 wegen Geiselnahme und Körperverletzung verurteilt worden. Bis zum Frühjahr 2010 saß er in der sächsischen Justizvollzugsanstalt Waldheim ein. In dieser Zeit rief die neonazistische Aktionsgruppe Rheinland dazu auf, Daniel K. zu schreiben. "Unzählige Kameraden", heißt es in dem Aufruf von Ende 2008, "die im Kampf für ein nationales und sozialistisches Deutschland ein großes Opfer auf sich nehmen", seien inhaftiert und freuten sich "über einen kleinen Lichtblick im grauen Knastalltag".
Der aus Thüringen stammende Marcus E. war 2002 wegen Vergewaltigung und Körperverletzung verurteilt worden. Er wurde erst im Oktober aus der Haft entlassen. Wie die taz aus Ermittlerkreisen erfuhr, saß er auch in der JVA Waldheim ein und lernte dort Daniel K. kennen. Bei E. fand die Leipziger Polizei das Messer, mit dem Kamal K. mutmaßlich ermordet wurde.
Kamal K. war in den 90ern mit seiner Familie aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Am Montag wurde er auf dem Leipziger Nordfriedhof beerdigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis