Mord an Michelle: Die laute Trauer der Neonazis

In Leipzig versuchen Rechtsextreme den Mord an der kleinen Michelle zu instrumentalisieren. Sie demonstrieren zum Beispiel für die Einführung der Todestrafe.

Vor der Grundschule des toten Mädchens legten Leipziger Plüschtiere und Blumen nieder. Bild: dpa

LEIPZIG taz Fackeln, Parolen, Transparente, auf denen die Todesstrafe für Kindsmörder gefordert wird. In Leipzig versucht die rechtsextreme Szene, den Mord an der 8-jährigen Michelle für ihre Zwecke zu nutzen. Für den gestrigen Abend war eine Demonstration der örtlichen Kameradschaften geplant. Es ist nicht das erste Mal, dass die Neonazis den Tod des Mädchens für ihre eigenen Inszenierungen benutzen.

Michelle war vor zwei Wochen verschwunden. Wenige Tage später wurde ihre Leiche in einem nahe gelegenen Teich gefunden. Seitdem sind viele Anwohner besorgt und aufgebracht, fordern den besseren Schutz ihrer Kinder. Die Kundgebung der "Freien Kräfte" am gestrigen Abend war nicht die erste, bei der Rechtsextreme im Zusammenhang mit dem Kindermord in Erscheinug traten. Bereits unmittelbar nach dem Fund des toten Mädchens am 21. August hatte ein bekanntes Mitglied der örtlichen rechten Szene bei einer spontanen Trauerkundgebung die das "Zusammenstehen der Volksgemeinschaft" gefordert. Bei dem jungen Mann handelte es sich um den Onkel des Mädchens. Gegen ihn läuft noch ein Verfahren wegen Körperverletzung. Außerdem war er an einem Angriff auf ein von Studenten bewohntes Mietshaus in Leipzig-Reudnitz Anfang des Jahres beteiligt.

Am Montag vergangene Woche wurde die Vereinnahmungsstrategie der Rechten dann endgültig deutlich. Eine Elterinitiative hatte zu einem Trauermarsch durch den Stadtteil aufgerufen. Es kamen Anwohner, Eltern mit ihren Kindern und etwa 300 Rechtsradikale mit scharzen Fahnen und Fackeln. Auf Transparente war "Nationaler Sozialismus" und "Todesstrafe für Kinderschänder" geschrieben. Mittlerweile haben sich sowohl die Eltern von Michelle als auch die Elterninitiative distanziert. Der Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und einige Landespolitiker verurteilten die Instrumentalisierung des Kindermordes durch die Rechten.

Die Leipziger Ereignisse sind kein Einzelfall. So versuchen Rechtsextreme in Nordrhein-Westfalen unter dem Motto "Sicher leben ohne Multikulti" zu mobilisieren. Anfang April war in Stolberg bei Aachen ein 19-jähriger angeblicher NPD-Sympathisant nach einer Messerstecherei gestorben. Im Anschluss gab es Mahnwachen, Flugblätter wurden verteilt, die NPD demonstrierte. "Die Gegend ist eine rechte Hochburg. Die NPD hatte dort ihr bestes Wahlergebnis in NRW", erklärt der Soziologe Christian Dornbusch, "das gehört zur Strategie der Rechten." Ähnliche Anlässe für die rechte Szene seien etwa Moscheebauten. Es gehe ihnen darum den vermeintlichen Bürgerwillen aufzugreifen und an ihre Ideologie anzuknüpfen.

Die Angst vor Verbrechen löst Affekte aus. "Das bildet eine Steilvorlage für rechtes Poltikverständnis", sagt Ulli Jentsch vom antifaschistischen Pressearchiv Berlin. Insofern passe die Vereinnahmung wie im Fall Michelle gut in die rechte Strategie. Außerdem handele es sich um ein Thema, zu dem die NPD seit Jahren eine Kampagne führt.

Der Leipziger rechten Szene kommt die öffentliche Aufmerksamkeit gelegen. Schon seit dem vergangenen Jahr sind gerade im Leipziger Osten Neonazis wieder verstärkt aktiv. Mehrmals gab es dort rechte Demonstrationen. Bisher mit wenig Erfolg. Meist marschierten nur wenige Dutzend mit. Der Fall Michelle soll das offenbar ändern.

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