standbild: Monsieur Hofnarr als Präsident
Coluche – Ein Clown, der
Präsident werden wollte
(Mi., 20.45 Uhr, Arte)
Was auch in Deutschland längst fällig wäre, haben die Franzosen filmisch bereits umgesetzt. Im französischen Dokumentarfilm beschränkt man sich nicht darauf, die Spaßgesellschaft in aller Schlichtheit abzubilden und allenfalls ein wenig zu bejammern. In seinem Film „Coluche – Ein Clown, der Präsident werden wollte“ betreibt Roland Alard Ursachenforschung mit Biss. Die Spaßgesellschaft – so die These des Films – habe sich nur etablieren können, weil rechte und linke Politiker in schönster Eintracht miteinander kungelten und intrigierten. Der Film ist ein Rückblick auf die Kandidatur des populistischen Schauspielers Coluche, der sich aus Jux zur Präsidentenwahl 1981 aufstellen ließ und einen unerwartet großen Zuspruch erntete, der Spitzenpolitiker aller Parteien beunruhigte.
Wie konnte das passieren? Politisch habe sich nichts bewegt, analysiert der Autor. Die Rechte habe sich an der Börse orientiert, die Linke an Moskau, die Gaullisten hätten sich für die Träger der Staatsmacht gehalten, die Sozialisten eine alte Linke ohne Sehnsüchte modernisieren wollen. Im Film schneidet Alard Politiker-Phrasen und Komiker-Spottreden geschickt aneinander. Klartext über den Abtörn der Linken spricht die Kandidatin einer trotzkistischen Partei (jawohl, das gibt es in Frankreich, sogar im Fernsehen): Während des Algerienkriegs 1956 sei der Sozialist François Mitterrand Justizminister gewesen, habe Folterknechte in Algerien gedeckt.
Am Ende sei Coluche selbst machttrunken geworden – von Journalisten, die öde Politikerrituale satt gehabt hätten, hochgeschrieben, wie dessen Freund Romain Goupil schmunzelnd berichtet: Der Komiker, der wusste, dass die politische Mitte aus den Rändern besteht, und sich an Faulenzer, Ungewaschene, Drogensüchtige, Künstler, Lesben, Schwarze, Araber, Fußgänger und überzeugte Nichtwähler wandte, sei zuletzt ratlos und isoliert gewesen. Derart, dass er sich mit extrem Rechten eingelassen habe, etwa mit dem geistigen Vater Le Pens, Robert Poujade. Alards Film ist zugleich kritische Analyse und gute Unterhaltung.
GITTA DÜPERTHAL
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