: Mondfahrt ins Niemandsland
Exklusiv: Was Boris Aljinovic, Klaus Wowereit und Til Schweiger über Schöneweide sagen
VON NICOLA SCHWARZMAIER
In Charlottenburg geboren, in Schöneweide auf die Schauspielschule gegangen und seit 2001 an der Seite von Dominic Raacke Berliner „Tatort“-Ermittler: Boris Aljinovic. Er besuchte die Ernst-Busch-Schauspielschule von 1991 bis 1994.Täglich begab er sich auf eine „lange Reise in ein anderes Land“, um von seinem Wohnort Wilmersdorf nach Niederschöneweide zu gelangen, wie er sagt. Dieser Weg erschien ihm wie „eine tägliche Mondfahrt zum Studium in den frisch eröffneten Osten oder morgens anderthalb Stunden S-Bahn-Reise zur Wiedervereinigung“. Doch Boris Aljinovic hat auch Positives zu berichten: „In ‚Schweineöde‘, wie man es als Schauspielstudent unweigerlich bezeichnen musste, gab es den besten Döner auf dem Weg von der S-Bahn zur Ernst Busch.“
„Schöneweide ist für mich eine Art Niemandsland“, sagt die Schauspielerin Petra Hartung („Der Vorleser“, „Inglorious Basterds“). Sie besuchte von 1988 bis 1992 die Schauspielschule Ernst Busch. Heute dreht sie mit Stars wie Brad Pitt oder Kate Winslet. Wenn sie aus dem Fenster schaute, habe sie eine Welt gesehen, in der der Charme von Industriebauten, Billigläden und grauen Häusern von der Spree durchflutet wird.
Heute tourt der Volksschauspieler und Entertainer Walter Plathe erfolgreich durch Deutschland, vor 30 Jahren aber tourte er noch ganz woandershin: Von 1968 bis 1971 besuchte er in Niederschöneweide die Schauspielschule. Der lange Weg habe ihn jedoch nie gestört, erzählt er: „In der Bahn konnte ich immer meine Texte lernen, so ging die Zeit ganz schnell rum.“ Es sprach noch etwas für Schöneweide: „Dort gab’s die beste Currywurst in Berlin!“
Die Schauspielerin Franziska Petri („Schattenwelt“) besuchte ebenfalls die Schauspielschule. Von 1991 bis 1995. Während dieser Zeit spielte sie dort in der Inszenierung von Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“. In dem Stück versucht eine Prostituierte, ein kleines Geschäft hochzuziehen. Um dieses Stück zu spielen, war Schöneweide für Petri die perfekte Umgebung: „Das war ein richtig dramatisches Umfeld damals, unglaublich hässlich. Es kostete Überwindung, dort hinzufahren. Trotzdem gab einem diese trostlose Umgebung eine Art künstlerische Inspiration“, sagt sie.
Moderatorin (RTL II, Pro7, Kabel1) und Bestsellerautorin („Fremdkörper“) Miriam Pielhau wohnt seit einiger Zeit in direkter Nachbarschaft zu Schöneweide. Ihr aktuelles Buch, in dem sie ihren Kampf gegen den Krebs schildert, war schon fertiggestellt, als sie mit ihrem Mann dorthin zog. Die Ideen für ihr neues Buch aber findet sie jetzt in Rummelsburg und Umgebung: „Wenn ich an der Spree, in der Wuhlheide oder im Treptower Park spazieren gehe, kriege ich den Kopf frei und meine Gedanken werden klarer. Hinterher, nach der Seelenreinigung, kann die Kreativität am Schreibtisch wieder störungsfrei fließen“, erzählte sie.
Hoheitlicher Besuch für Schöneweide! Die britische Königin Queen Elisabeth ll. besuchte den Stadtteil 1992. Grund war der Verkauf der Kabelwerke Oberspree KWO an die britische Firma BICC Cables.
Der Regisseur Thomas Ostermeier kam von 1992 bis 1996 täglich an der Kneipe „Bei Klaus“ vorbei, wenn er auf dem Weg zur Schauspielschule war. „Brauner Holzschick, viele Sofas, langer Tresen. Und Klaus. Keine Ahnung, wie er es mit seiner Kneipe bis in die 90er-Jahre geschafft hat, jedenfalls waren mit uns ein paar verwöhnte westdeutsche Schauspielstudenten als Kundschaft hinzugekommen.“ Er erzählt: „Mein Freund Martin ging immer direkt nach der Probe zu Klaus und übernachtete ab und zu dort. Am nächsten Morgen kehrte der eine die Kneipe und der andere ging die Straße hinunter zur Schauspielschule. Den dicken Kopf hatten sie gemeinsam.“
Der regierende Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit glaubt, dass der Standort Berlin-Schöneweide trotz seiner schwierigen Situation auf längere Sicht gute Chancen hat. Davon habe er sich selbst während seiner Besuche dort überzeugen können, sagt er. Außerdem ist er begeistert von der Arbeit der Bürgerplattform „Organizing Schöneweide“: „Beispielgebend arbeiten in diesem Bündnis mehr als 20 verschiedene Gruppen mit dem Ziel, die Attraktivität des ehemaligen Industriegebiets zu steigern und den Bewohnern wieder eine Perspektive zu geben. Ein großer Erfolg ist die Ansiedlung der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Das wird andere Unternehmen anlocken. Auf ihr intensives bürgerschaftliches Engagement können ‚Organizing Schöneweide‘ und alle, die geholfen haben, stolz sein.“
Teile seines aktuellen Kinofilms „Zweiohrküken“ wurden dort gedreht: Schauspieler Til Schweiger kam Ende Juni 2009 für zehn Drehtage nach Schöneweide. In den ehemaligen Kabelwerken Oberspree in Oberschöneweide wurde das Motiv „Wohnung von Anna und Ludo“, also alle Szenen, die bei Ludo und Anna zuhause spielen, gedreht. ‚Die Protagonisten wie in „Keinohrhasen“: Nora Tschirner und Til Schweiger. Mit einer Crew von etwa 50 Personen war Schweiger vor Ort. Aus Zeitmangel hat er leider nichts von Schöneweide sehen können, verriet er.
Künstler, die in den Musikstudios in der Nalepastraße aufgenommen haben: Air, Daniel Barenboim, Die Ärzte, Sarah Connor, Portishead, Herbert Grönemeyer, Black Eyed Peas, Sting, Apocalyptica, Joy Denalane.