: Momper wirkt nur noch schal
Bis heute verbinden viele mit Walter Momper die Aufbruchszeit 1989/90. Doch der einstige Regierende Bürgermeister zeigt nicht erst seit seinem Fauxpas bei der Wowereit-Wahl Schwächen
VON MATTHIAS LOHRE
„Entschuldigung“ ist ein Wort, das Walter Momper sehr gut kennt. Nicht erst seit seinem Fehlgriff am vorigen Donnerstag, als er Klaus Wowereit fragte, ob dieser die Wahl zum Regierenden Bürgermeister annehme – obwohl er im ersten Wahlgang die Stimmenmehrheit verfehlt hatte. Kleine Fehler unterlaufen dem Parlamentspräsidenten immer wieder. Doch erst sein jüngster Fehltritt hat die Schwächen des Exregierenden einer breiten Öffentlichkeit offenbart. Heute berät der Ältestenrat des Abgeordnetenhauses über Mompers Fauxpas. Bindende Beschlüsse treffen die 15 Ratsmitglieder zwar nicht, ein negatives Votum wäre dennoch ein Tiefpunkt für Mompers Karriere.
Dem 61-Jährigen wird schon seit mehreren Jahren Amtsmüdigkeit nachgesagt. Seine vielen Aussetzer gehören mittlerweile zum festen Repertoire der zweiwöchentlichen Abgeordnetenhaussitzungen. Mal erteilt Momper dem falschen Abgeordneten das Wort zur Zwischenfrage, mal übersieht er einen Tagesordnungspunkt. In solchen Momenten erinnern den Mann auf dem erhöhten Parlamentspodium seine Helfer zu beiden Seiten flüsternd an seine Pflichten. „Entschuldigung, ich habe mich vertan“, erklärt Momper dann mit schnoddriger Stimme. Daran haben sich die fünf Fraktionen seit Mompers Amtsübernahme im Oktober 2001 gewöhnt. Dass die drei Oppositionsparteien nun wütend seinen Rücktritt fordern, hat andere Gründe.
„Manipulationsversuch“?
CDU, Grüne und FDP schreiben gemeinsam in einer Presseerklärung: „Ist Walter Momper schlichtweg unfähig, ein Wahlergebnis nach Recht und Gesetz festzustellen, oder war sein Agieren gar ein vorsätzlicher Manipulationsversuch?!“ Letzteres ist natürlich Unsinn, läuft der Vorwurf doch auf nichts Geringeres als einen versuchten Staatsstreich hinaus. Wahrscheinlicher ist, dass sich Momper schlicht selbst übertölpelt hat. Das weiß auch die Opposition. Sie nutzt die unverhoffte Chance, den rot-roten Senat vorzuführen.
Jede Partei hat ihre Gründe dafür: Die Grünen sind noch immer wütend auf den arroganten Sondierer Wowereit, der nicht sie, sondern die Linkspartei in den Senat holte. Die CDU hofft, mit ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden Friedbert Pflüger endlich wieder als parlamentarische Kraft wahrgenommen zu werden. Und der kleinen FDP kann nichts Schlimmeres passieren, als aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden. Die drei Parteien zielen auf Momper, um Wowereit zu treffen. Daher zählt für sie wenig, dass der Parlamentspräsident noch am Tag seines Fehltritts öffentlich um Entschuldigung bat.
Oder ein „Blackout“?
Unterdessen klingen die Ehrenbekundungen zugunsten Mompers so hilflos wie die Taten, die sie rechtfertigen sollen. „Nur mit einem Blackout“ könne er sich Mompers Verhalten erklären, urteilte der Direktor des Abgeordnetenhauses, Hartmann von der Aue. An mangelnder Vorbereitung könne es hingegen nicht gelegen haben, dass der Parlamentspräsident das Wahlergebnis von 74 Ja- und 73 Neinstimmen bei zwei Enthaltungen zugunsten Wowereits interpretiert habe. Dabei besagt Paragraf 56 der Landesverfassung eindeutig: „Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt.“ Also zählen auch die Enthaltungen.
Wie man die Geschichte auch dreht: Der „Mann mit dem roten Schal“ kommt schlecht weg. Der Regierende Bürgermeister der Wendezeit – zwischen März 1989 und Januar 1991 führte er eine stürmische Koalition mit der Alternativen Liste (AL) – hat seit Jahren nur noch außerhalb Berlins einen guten Ruf. In der Hauptstadt-SPD ist sein Image seit langem ramponiert. Ins Abgeordnetenhaus zog er nach der jüngsten Wahl lediglich wieder ein, weil er seinen Reinickendorfer Direktwahlkreis gewann. Die eigene Partei hatte ihm keinen sicheren Listenplatz mehr eingeräumt.
Wenn die Koalition nun demonstrativ Momper stützt, dann nicht aus überbordender Zuneigung. Rot-Rot nimmt Momper aus der Schusslinie, um Wowereit zu schützen.