zugeschaut : Molières „Tartuffe“: Mal klassisch gereimt, mal modern im Bhagwan-Look
Auf rheinischen Bühnen wird derzeit geheuchelt, was das Zeug hält. Gleich zwei Theater haben den „Tartuffe“ auf dem Spielplan, Molières Urbild von Habgier und Scheinheiligkeit: Kathrin Sievers brachte es im Kölner Theater der Keller auf die Bühne, Klaus Weise, Generalintendant des Schauspiel Bonn, in den Kammerspielen Bad Godesberg.
Den „Tartuffe“ schrieb Molière 1664 für den Hof. Eine Komödie, wie der junge Ludwig XIV. sie liebte, war sie doch ein Angriff auf die schmarotzenden Frömmler, die seine Mutter um sich scharte. Die Bühnenhandlung verlegt Molière ins Bürgertum: Der reiche Orgon hat den armen Tartuffe in sein Haus aufgenommen, weil dessen scheinbar so tiefer Glaube ihn beeindruckt. „Bruder“ nennt er den Schmeichler, will ihn zum Schwiegersohn machen, ihm gar sein Haus überschreiben. Tartuffe macht sich an Orgons Frau Elmire heran, doch der Hausherr ist blind – so lange, bis er, von Elmire dazu gezwungen, in einem Versteck mit ansieht, wie sein frommes Vorbild die Maske fallen lässt.
Wer Klassiker gern klassisch mag, ist in Bonn richtig: Weise bleibt bei der Versform (Übertragung: Simon Werle), Bühnenbild und Kostüme weisen in die Vergangenheit. Orgon (Rolf Mautz) ist ein verunsicherter älterer Herr, sein Tartuffe (Bernd Braun) ein Schmierlappen von grandioser Falschheit. Durchweg sehr gute SchauspielerInnen tragen die Verse mit der gleichen ironischen Gemessenheit vor, die in Versailles üblich war. Dadurch bekommt die Aufführung eine augenzwinkernde, manchmal anstrengende Langsamkeit, die verschwindet, wenn man beschließt, die Schönheit der Reime bewusst zu genießen.
Die Kölner Fassung macht es dem Publikum einfacher. Die Handlung spielt heute, Sievers hat den Text in leicht zugängliche Prosa umgedichtet. In einem Saloninterieur mit einem Hauch Feng Shui bewegen sich adrett gekleidete Figuren wie in einem Chabrol-Film, bedrohliche Musik verweist auf das Unheil im Haus. Tartuffe (Bernd Reheuser) ist Ethikberater – ein widerlich sanfter Bhagwan im bestickten Nachthemd, der dem Businessman Orgon (Dietrich Adam) aus der Sinnkrise helfen soll. Lebendig, spannend, leicht zugänglich präsentiert sich diese Inszenierung. Besser als das Bonner Pendant ist sie deshalb nicht – dazu fehlt ihr das Subtile, das Molière auszeichnet. Je nach persönlicher Vorliebe bieten beide Inszenierungen jedoch ungeheuchelten Genuss. HOLGER MÖHLMANN
„Tartuffe“: am 17. und 18. Februar, jeweils 20 Uhr, im Theater der Keller, Kleingedankstr. 6, Tel. 31 80 59 – am 31. Januar, 19.30 Uhr, in den Kammerspielen Bad Godesberg, Am Michaelshof 9, Tel. 0228/77 80 20