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Moderate Gewerkschaftskritik am Staatsvertrag

■ Gewerkschaften machen gegenüber der Berliner Regierung ihre Skepsis zum Staatsvertrag deutlich / Kein Interesse an Destabilisierung Verhandlungen an den Gewerkschaften vorbei geführt / Künftig regelmäßige Treffen vereinbart / Warnstreikauftakt am Donnerstag

Berlin (dpa/taz) - Die DDR-Gewerkschaften stehen nach einem ersten Informationsgespräch mit Regierungsvertretern am Dienstag in Ost-Berlin dem Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs und Sozialunion weiter skeptisch gegenüber. Vor dem Hintergrund der für diese Woche angekündigten Warnstreiks in der DDR betonte IG-Metall -Vorsitzender Hartwig Bugiel jedoch, die Gewerkschaften seien „in keiner Weise“ daran interessiert, die Lage im Land zu destabilisieren. Nur bei stabilen Verhältnissen könnten gewerkschaftliche und soziale Forderungen durchgesetzt werden.

Nach dem Treffen von Regierungsexperten und Vertretern von 19 Einzelgewerkschaften kritisierte Bugiel vor Journalisten, die Gewerkschaften seien zu spät in die Probleme um den Staatsvertrag einbezogen worden. Der jetzt bekannte Entwurf sei ein „Diktat der Bundesrepublik“. Der IG-Metall-Chef betonte, man dürfe aber nicht „zu viel Verständnis“ für die schwierige Situation von den Gewerkschaften und Arbeitnehmern fordern.

Der Ostberliner Staatssekretär Günther Krause, der maßgeblich an den Verhandlungen mit Bonn beteiligt war, erklärte, bei dem Informationsgespräch am Vormittag sei es um den Stand des Staatsvertrags und nicht über die angekündigten Warnstreiks gegangen. Desinformation und Spekulationen zu veralteten Texten des Staatsvertrages hätten zu Irritationen und Verhärtungen geführt.

Gewerkschafts- und Regierungsvertreter wollen künftig regelmäßig zusammenkommen. Am nächsten Dienstag ist ein weiteres Gespräch über den aktuellen Staatsvertragsentwurf geplant. Dabei soll es auch um ein Betriebsverfassungsgesetz für die DDR gehen.

Am Montag hatte Ministerpräsident Lothar de Maiziere (CDU) die Vorsitzende des FDGB, Helga Mausch, empfangen. Hintergund war ein offener Brief, in dem die Gewerkschaftsseite die Einführung der 38-Stunden-Woche und ein 50prozentige Lohnerhöhung fordert. Die Regierung lehnt diese Forderungen als indiskutabel ab und verweist auf die destabile Wirtschaft und riesige Lücken im Staatshaushalt.

Zu einstündigen Warnstreiks am Donnerstag haben die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung sowie die Industriegewerkschaft Textil in der DDR aufgerufen. Auch die Eisenbahngewerkschaft droht mit Streik, wenn wichtige soziale Forderungen nicht erfüllt werden.

Die Sozialdemokraten in der DDR schlossen sogar einen Generalstreik nicht mehr aus. SPD-Geschäftsfüher Stefan Hilsberg sagte am Montag, wenn, wie beim jetzigen Verhandlungsstand über den Staatsvertrag, ein Generalstreik in der DDR drohe, werde seine Partei diesem Papier nicht zustimmen.

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