: Mitten in den Höhepunkten des Lebens
Brechende Fingernägel und anderes Existentielles: Mit „The Young Ones 1“ erlebte das Jugendtheater-Festival „Explosive!“ seinen lautstarken Start
„Du bist ein überflüssiger Pickel im Gesicht der Gesellschaft“, sagt Larissa zu Theo. Sie muss es wissen, schließlich wohnen sie in der selben WG. Sie sind „The Young Ones“ – entstanden als Koproduktion der Theaterwerkstatt Schlachthof mit der Gruppe „Growing up in Public“ aus Utrecht. In der prall gefüllten Kesselhalle eröffneten sie das Jugendtheater-Festival „explosive“.
Die Bühne ist voller Becks in allen Agregatszuständen: im Kasten, als Lache, vielleicht auch ausgekotzt. Sackkratzende Mitbewohner kreuzen den Flur, immer auf der Suche nach einem freien Klo. „Ich wohne gern hier“, verkündet die hochmotivierte WG-Vordenkerin, „ich liebe das Kollektiv“.
Das fest gefügte System aus zu lauter Musik, Ohrfeigen und Schimpftiraden wird jäh irritiert als Bart auftaucht, ein sehr überzeugter Holländer, mit dem sich bald ein wilder Schlagabtausch über nationale Klischees, die Frage „wer vögelt mit wem“ und den übrigen Sinnen des Lebens entwickelt. Epizentrum des Geschehens ist ein fertiges Sofa. Für die Crew der Schlachthof-Theaterwerkstatt ist die Zusammenarbeit mit den holländischen Profis ein sichtbar produktiver Input. Sie sind mutig, schreien sich die Lunge heraus und scheuen auch sonst keinen Körpereinsatz. Daraus entsteht nicht der aktuellste Höhepunkt erfinderischen Jugendtheaters – aber es wirkt und hat Substanz. Außerdem fallen so einprägsame Sätze wie: „Das Leben hat seinen Höhepunkt erreicht, wenn man nur noch mit den Fingerspitzen am Felsen hängt – und ein Nagel nach dem anderen bricht.“
Bis Dienstag sind noch sechs Produktionen aus eben so vielen Ländern zu sehen, zum Höhepunkt des Festivals könnte „Fucking Amal“ werden (Montag, 20 Uhr), eine Arbeit des Jungen Theaters Basel. Deren Theaterschul-Konzept war eines der Vorbilder für die kürzlich gegründeten „Jungen Akteure“ in der Schildstraße.
In „Fucking Amal“ also trifft Kleinstadtschönheit Elin auf Aussteigerin Agnes. Schon Lukas Moodyssons Kinofilm über lesbische Liebe auf dem Lande (Schweden 1998) hat viele Fans gefunden, doch angeblich ist Sebastian Nüblings Theateradaption noch besser. Das finden zumindest die „Neuen Zürcher Nachrichten“. „Nübling bietet wunderbare Verknappungen, die schneller sind als jeder Schnitt. Er fokussiert, dass kein Zoom mitkäme.“ HB
„Explosive“ heute: „Los Nadies“ aus Buenos Aires (20 Uhr). Für die Workshops kann man sich noch unter ☎ (0421) 37 77 50 anmelden