Mitarbeiter im Hannah-Arendt-Institut: CDU-Vertrauter war Stasi-IM
Ein CDU-Vertrauter im Institut für Totalitarismusforschung war offenbar überzeugter Stasi-Zuträger. Er selbst sagt, er wollte nur irgendwie in den Westen gelangen.
DRESDEN taz | Ein exponierter Mitarbeiter des Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung hat offenbar intensiver mit der Stasi zusammengearbeitet als bisher bekannt. Die Welt berichtet, dass Michael Richter, der unter anderem Bücher über die DDR-Staatssicherheit verfasst hatte, ab 1979 als Informeller Mitarbeiter "Thomas" von der Stasi geführt wurde. Die Zusammenarbeit soll er laut Stasi-Akten auch nach Übersiedlung in den Westen 1981 fortgesetzt haben.
In einem Rechtfertigungsschreiben erklärt Richter laut Welt, sein einziges Ziel sei es gewesen, irgendwie in den Westen zu gelangen. Doch die Akten deuten eher auf Überzeugung als Motiv hin. Sachsens Stasi-Landesbeauftragter Michael Beleites prophezeit schlimme Folgen für das Institut: "Wenn ein Institut, das sich der Diktaturanalyse verschrieben hat, seine eigene Diktaturvergangenheit beschweigt, dann ist seine Vertrauensbasis als Existenzgrundlage entzogen!"
Wer hat etwas gewusst und wer hat geschwiegen? Da ist Matthias Rößler (CDU), so etwas wie der Gründungsvater und erster Kuratoriumsvorsitzender des Arendt-Instituts und heute Landtagspräsident. Richter kam 1993 als Mitarbeiter des Gründungsdirektors Prof. Alexander Fischer an das junge Institut. "Ich war massiv gegen Richters Einstellung", erklärt Rößler. Man hätte im Kuratorium von seiner IM-Vergangenheit gewusst.
Da Richter sich aber sofort offenbart hatte und Gutachten seine Unbedenklichkeit bescheinigten, sei er schließlich eingestellt worden. Die Originalakten kannte niemand. Die Berliner Stasi-Behörde revidiert heute ihren damaligen Bescheid, Richter sei durch "Nötigung" zur MfS-Zusammenarbeit gezwungen worden.
Michael Richter avancierte indessen schnell zum Vertrauten Rößlers und zu einem Trojanischen Pferd der CDU im Institut. Er konspirierte gegen den ehemaligen Institutsdirektor Gerhard Besier, inzwischen bei der Landtags-Linksfraktion. "Richter war quasi als IM am Institut tätig", so Besier. Erste Reaktionen aus dem Institut und der Politik deuten darauf hin, dass man Richter wahrscheinlich fallen lassen wird.
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