■ Mit russischem Atommüll auf du und du: Ab in die See
London (AP) – 20 Atom- U-Boote der russischen Marine erzeugen auch heute noch strahlenden Müll, der noch immer, wie in der ehemaligen Sowjetunion üblich, umgehend in der Barentsee und im nördlichen Pazifik versenkt wird. Neu ist, daß solche Tatsachen heute offiziell zugegeben werden. Sie sind in einem von Boris Jelzin in Auftrag gegebenen Bericht nachzulesen, der – wiederum ganz offiziell – auch der Umweltschutzorganisation Greenpeace International zugeleitet worden ist.
Die Lagerkapazitäten reichten gerade für den Müll von drei Atom-U-Booten aus. Dem nach Jelzins Umweltberater Alexei Yblokov benannten Bericht zufolge wird der übrige radioaktive Abfall solange weiter auf hoher See verklappt, bis weitere Endlager an Land bereitstehen. Dies könnte frühestens 1997 der Fall sein. In dem Dokument gibt Jelzins Regierung nun auch zu, daß die frühere Sowjetunion in den Jahren 1966 bis 1991 in der Kara- und der Barentssee mindestens sechs Reaktoren, die noch Brennstäbe enthielten, versenkt habe.
Auch ein besonders schwerer Unfall aus dem Jahr 1985 wird offiziell bestätigt: Bei Reparaturarbeiten an einem Schiffsreaktor sei es damals zu einer „unkontrollierten, spontanen Kettenreaktion“ gekommen. Zehn Marine-Soldaten starben an den Folgen, weite Teile der Umgebung des Havaristen seinen „ernsthaft verseucht“ worden.
Insgesamt dürften dem Bericht zufolge bis heute über 13.000 Atommüllcontainer ins Meer gekippt worden sein. Größere Teile des Atomschrotts schwimmen noch immer über dem Wasser: auf Schiffen der russischen Nordmeer- und Pazifikflotte sind 140 ausgediente Reaktorkerne deponiert.
Es sei „deutlich eine kritische Situation erreicht“, schreiben die Verfasser des Berichts, „ein „weiteres sicheres Funktionieren der Unterseeflotte“ sei nicht mehr gewährleistet. Insgesamt müßten Jahr für Jahr rund 30.000 Kubikmeter flüssigen und 6.000 Kubikmeter festen Atommülls entsorgt werden. „Rußland sieht einem Atommüll-Alptraum entgegen, dem tödlichen Erbe des Kalten Krieges“, kommentiert Jon Sprange, Sprecher von Greenpeace International in London. Ganz uneigennützig dürfte das brisante Papier nicht an die Umweltschützer weitergereicht worden sein. Sprange vermutet, Rußland wolle auf seine dramatische Entsorgungssituation noch vor dem für den 4. und 5. April geplanten Gipfel von Boris Jelzin mit dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton in Vancouver hinweisen. Die nunmehr eingestandene Notlage könnte vielleicht Hilfszusagen der Amerikaner erleichtern.
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