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■ Mit ihrem Rücktritt kündigt Marianne Birthler das Stillhalteabkommen der Brandenburger AmpelkoalitionDer falsche Rücktritt

Rücktritt in Potsdam. Nein, nicht was Sie denken, nicht der Ministerpräsident. Während der seit nunmehr zehn Monaten allein schon mit der Art und Weise seiner Verteidigung Rücktrittsgründe in Folge produziert, zieht Bündnis-Ministerin Marianne Birthler die Konsequenz, die Stolpe selbstsicher von sich weist. Der Geheimdiplomat, überzeugt von seiner Unentbehrlichkeit für die alte wie für die neue Politik, hat dreißig Jahre lang Erfahrung gesammelt, wie man mit komplizierten Situationen fertig wird. Der Panzer, den er sich dabei zulegte, schützt ihn auch heute noch. Anders die Ministerin. Sie hat sich seinerzeit nicht für die vermeintlich kalkulierbare Kooperation mit der Macht, das Versteckspielen und Lavieren, sondern für die Stasi-observierte, geradlinige und riskante Opposition entschieden. Insofern ist ihr Entschluß zum Rücktritt – wie Stolpes Entschlossenheit zum Machterhalt – biographisch konsistent.

Mit ihrem Amtsverzicht trifft Marianne Birthler eine Entscheidung, der ihre Partei seit Monaten auszuweichen sucht. Dem offenen Umgang mit der DDR-Vergangenheit verpflichtet, ist die Mehrheit des Brandenburger Bündnisses dennoch bereit, diesen Anspruch zugunsten einer SPD-definierten Koalitionsdisziplin zu stornieren. Zuletzt hat die Bürgerbewegung auch noch ein Stillhalteabkommen akzeptiert, demzufolge jeder weitere öffentliche Angriff auf Stolpe das Ende der Koalition nach sich ziehen werde.

Das ist Machtpolitik, die die Handschrift Stolpes trägt. Indem sich Marianne Birthler ihr jetzt entzieht, wird es für das Bündnis noch schwieriger, sich dem Zwang weiter zu unterwerfen. Darüber kann die Sprachregelung, der Rücktritt sei eine „persönliche Entscheidung“, die den Bestand der Ampel nicht gefährde, kaum hinwegtäuschen – im Gegenteil: Die Konsequenz der Ministerin pointiert, wozu sich das Bündnis nicht entschließen will, und verschärft für die Organisation einen Konflikt, der identitätsgefährdende Züge gewinnt.

Doch auch für Brandenburgs Ministerpräsident, der die „Lücke“ bedauert, die Marianne Birthler hinterläßt, ist das Ganze keine Petitesse. Marianne Birthlers Rücktritt ist ein Angriff auf Stolpe und die Kontinuität, die er verkörpert. Ihr Rücktritt bringt nicht nur die Koalition neuerlich ins Schlingern, er forciert zugleich die Frage, wann sich Manfred Stolpe seinerseits zur „persönlichen Entscheidung“ durchringt. Matthias Geis

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