Mit geschlossenen Augen

Volker Schlöndorff stellte im Münzsalon den Debütroman seines alten Freundes Peter Fleischmann vor

Vor kurzem ist Volker Schlöndorff mit seiner 16-jährigen Tochter in Paris gewesen. Für sie war es der erste Besuch in der französischen Hauptstadt, für ihren Vater eine Reise in die eigene Vergangenheit. Denn als junger Filmemacher hat er zehn Jahre in der Seine-Metropole gelebt. „Paris hat sich zum Glück nicht so sehr verändert“, sagt er – nur er selbst sei älter geworden, „das ist nicht abzustreiten.“

Der Abend, der so melancholisch begann, ist dann doch noch ein lustiger geworden – auch dank der Entertainerqualitäten Schlöndorffs, der die Lesung seines Freundes Peter Fleischmann aus dessen Debütroman „Die Zukunftsangst der Deutschen“ moderierte. Fleischmann ist 70, Schlöndorff 69. Sie kennen sich bereits aus Paris. „Zwei alte Männer, die über junge Frauen reden“, versprach Schlöndorff dem „verehrten Publikum“ im Münzsalon zu Beginn.

Dann las Fleischmann mit pfälzisch eingefärbter Märchenonkelstimme durch seinen Rauschebart hindurch aus dem ersten Kapitel. Darin träumt der Ich-Erzähler davon, „meine Freundin anzurufen, um ihr zu sagen, wie gerne ich jetzt (…) an ihren schlaftrunkenen Nippeln saugen würde und wie scharf mein kleiner Bruder darauf sei, ihre Miezekatze zu füttern“. Die älteren Damen im Publikum lauschten der Lesung mit geschlossenen Augen.

Die Neue Zürcher Zeitung nannte Fleischmanns Buch „einen wüsten pornografischen Albtraum, ein grausames Attentat auf die Geschmacksnerven“ – im ersten Satz! Eine Lesewarnung.

Noch mehr als die „hölzern erzählten Kopulationsszenen“ missfiel dem Rezensenten die „Verknüpfung dieser sexuellen Phantasmen mit den Schrecken der Naziherrschaft“. Neben dem Penis des Ich-Erzählers spielt das KZ Dachau eine wichtige Rolle in „Die Zukunftsangst der Deutschen“. Darüber will der Protagonist, den man bloß nicht mit dem Autor verwechseln solle, Anfang der Sechzigerjahre einen Dokumentarfilm drehen. „Das war noch vor den Beatles“, sagte Schlöndorff, um auch den 30-Jährigen im Publikum klarzumachen, wie lange diese Zeit zurückliegt. Alle, die damals schon gelebt haben, wissen das selber.

Der sperrige Romantitel bezieht sich übrigens auf ein fiktives Sachbuch, das darin eine wichtige Rolle spielt. Dieser Kunstgriff sei „eine gute Gelegenheit“ gewesen, „vieles von dem unterzubringen, was mich so beschäftigt“, sagt Fleischmann – Erkenntnisse wie: „Die deutsche Putzfrau macht nicht sauber, sie räumt auf.“

„Ich glaube und ich hoffe“, sagte Schlöndorff am Ende der Lesung, „dass wir Sie jetzt genügend verwirrt haben.“

DAVID DENK