■ Mit europäischen Chefsachen auf du und du: Handfeste Beschlüsse
Essen (taz) – Gipfeltreffen der Europäischen Union sind ausgedacht worden, damit die Staats- und Regierungschefs einmal im halben Jahr die großen Linien für die Weiterentwicklung der Union vorzeichnen können. So steht es in diversen Gebrauchsanweisungen. Allerdings hat es sich in den letzten Jahren eingebürgert, daß die Chefs auch all das zu lösen haben, womit die verschiedenen Fachminister bei ihren Ministerratstreffen in den vorangegangenen sechs Monaten nicht zu Potte kamen.
Der handfesteste Beschluß war in Essen sicher die Erfolgsmeldung über die Wegfahrsperre. Selbst Kohl konnte nicht umhin, zum Abschluß der Veranstaltung die Weltpresse ausdrücklich auf diesen Fortschritt in der Geschichte der Autoschmuggelbekämpfung hinzuweisen. Also: die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben beschlossen, daß künftig alle Autos mit diesen häßlichen Prügeln oder einer elektronischen Sicherung ausgestattet sein sollen. Es ist zwar nicht strafbar, darauf zu verzichten, aber die Versicherungen müssen dann bei Diebstahl nur einen Teil des Autowertes bezahlen.
Nicht ganz so konkret sind die Beschlüsse zur Europol. Die gemeinsame Polizeistelle, die seit Jahren für Streit unter den Innenministern sorgt, soll bis spätestens Juni 1995 eine rechtliche Grundlage haben. Das hat der Gipfel einstimmig beschlossen. Wie die Grundlage aussehen soll, hat er nicht beschlossen, das sei Aufgabe der Innenminister, heißt es. Allerdings sind jetzt die Bereiche klar: Europol ist bei Drogenhandel, Autoschmuggel und Schleuserkriminalität zuständig. Spanien wollte ursprünglich nur zustimmen, wenn auch Terrorismus (ETA) in den Katalog aufgenommen wird.
Es gibt keine offizielle Bestätigung, daß es einen Zusammenhang gäbe zwischen dem spanischen Europol-Einlenken und dem Zugeständnis der Gipfelrunde an die spanische Fischfangflotte. Die Spanier waren bei ihrem EU-Eintritt vor acht Jahren über den Tisch gezogen worden, als man ihren Fischern eine 16jährige Übergangsfrist aufbrummte, in der sie nur unter besonders strengen zeitlichen Auflagen fischen dürfen. Bei den Erweiterungsverhandlungen mit Norwegen haben die Spanier es dann geschafft, diese Frist auf zehn Jahre herunter zu handeln. Doch weil die Norweger ihren Beitritt abgesagt haben, fühlten sich Paris und London nicht mehr an die Zusage gebunden. In Essen räumten sie nun ein, daß Spanien sein Recht auf Gleichbehandlung bekommen soll. Alois Berger
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