■ Mit der Touristikindustrie auf du und du: Verschmähte Analysen
Der Starnberger Studienkreis für Tourismus hat Konkurs angemeldet. Eine halbe Million Mark wäre notwendig gewesen, um den gemeinnützigen Verein längerfristig zu sanieren. Erst Ende 91 hatten sich die Vereinsmitglieder, darunter mit einem Hauptanteil die Reisebranche, auf eine weitere Unterstützung „dieses Fasses ohne Boden“ geeinigt. Zwar ist eine halbe Million ein Klacks für die versammelte deutsche Reisebranche, doch die erforscht inzwischen die Märkte in eigener Regie. Kein Unternehmen ohne Marktforschungsabteilung. Der Studienkreis für Tourismus hingegen war eine öffentliche Einrichtung, Ansprechpartner für breite Informationen zum Thema Reisen. Eine allgemein anerkannte Institution, die neben der zweck- und profitorientierten Branche auch wahrheitsuchenden Studenten und recherchewilligen Journalisten dienlich sein wollte.
Die Reiseanalyse des Studienkreises, der seit 1961 tätig war, wagte es neben der klassischen Reiseanlyse – wie viele Deutsche welcher Schicht, Altersgruppe und Geschlecht fahren wann wohin? –, auch Fragen nach „ökologischer Verträglichkeit“ oder „Ausländerfeindlichkeit und Reisen“ zu thematisieren. Zuviel des guten Engagements? Die Branche fühlte sich zuweilen durch die Analysen des nach Unabhängigkeit strebenden Instituts sanft auf die Füße getreten.
Die Wirtschaft will kalkulier- und verwertbare Ergebnisse: Karl Anton trinkt zur Entspannung Bier, am liebsten Weizen, also schafft Weizenbier auf die Kanaren! Jegliche sozial- oder umweltverträglichen Untersuchungsaspekte könnten ja Schwachstellen eines Weltunternehmens treffen. In Zeiten eines verstärkten Verdrängungskampfes auf dem Reisemarkt, trifft schon die kleinste Kritik unerbittlich. Eine klare Kosten-Nutzen-Rechnung.
Der Studienkreis für Tourismus – abhängig vom Good-will der Großveranstalter – war für diese manchmal unbequem und vor allem unrentabel. Sich mit gemeinnützigen Institutionen zu schmücken ist in Zeiten des modernen Ökomanagements überflüssig, geradezu unmodern. Statt auf fundierte Analysen und reformwillige Einsicht setzt man in den Chefetagen auf das publikumswirksam grasende Schaf, das im ökologisch bereinigten Urlaubsort ökomäßig den Rasenmäher ersetzt. Und sicherlich gelingt es den Großen, einige Errungenschaften des Instituts für die Nachwelt zu retten und aus der Konkursmasse das Wesentlichste zum günstigsten Preis für die eigenen Zwecke zu erstehen. Währenddessen können die Mitarbeiter nur hoffen, daß sie nicht mangels Konkursmasse ganz leer ausgehen. Edith Kresta
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