Mit der Stadtentwicklung auf Du und Du: Sündenpfuhl Stadt
■ Stadtentwicklungsforum uneinheitlich
Die Stadt als Sündenpfuhl geistert seit den Schilderungen Babylons im Alten Testament durch Literatur, Kunstgeschichte und etliche Köpfe. Seit jeher gilt die Stadt als Gegensatz zur reinen Natur, als Antipode zum unschuldigen Treiben der Schäfer und Adligen auf der grünen Wiese am plätschernden Bach. In der Stadt konzentrieren sich Geld, Macht, Politik und, weitaus gefährlicher, Geist. Städte wie Buenos Aires und Paris, Berlin und New York sind seit der Moderne von Mythen umrankt. Doch der Stadt als Lebensraum droht „der Tod“.
Und der kommt von innen. Bogdan Bogdanovic, Architekt, Historiker und bis 1986 Bürgermeister von Belgrad sorgt sich seit Jahrzehnten um die Stadt. Durch „ihr anomales Wachstum“ seien Städte bedroht. „Nicht- oder halburbane Bevölkerung, die die Stadt nur als physische, nicht auch als geistige Lebenschance betrachtet“ strömt in Massen in die Städte, zerstört ihre Charaktere. Die Zerstörung von außen erlitten jüngst die zerschossen Städte Vukovar und Mostar. Bogdanovic sieht „eine finstere Epoche kleiner, städtemörderischer Kriege“ vor uns.
Für den unkundigen Bremer Besucher bei der Eröffnung des zweiten „Stadtentwicklungsforum“ am Donnerstagabend waren die vergeistigten Ausführungen Bogdanovics nur schwer nachzuvollziehen. Ralf Fücks, Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung, hatte das diesjährige Forum unter dem Titel „Zukunft der Stadt“ eröffnet. Sein zweiter Gastreferent Ulrich Pfeiffer brachte dann aber noch Stimmung in die erschlaffte Menge im Kunstforum.
Der Volkswirt und „stadtentwicklungspolitische Berater“ fordert ungeachtet des damit einhergehenden Flächenfraßes den „verdichteten Flachbau“. Auch „der kleine Arbeiter“ müsse sich wie in England ein Eigenheim leisten können. Das geht selbstverständlich nur, wenn die Grundstückspreise staatlich gelenkt werden und endlich das standardisierte Fertighaus für 200.000 Mark zur Norm erhoben wird. Der „kollektive Masochismus“ des Mietshauses müsse ein Ende haben. Bremen steht da noch gut da, zweidrittel aller Häuser beherbergen zwei bis drei Wohnungen.
Das verarmte städtische Proletariat brauche Wohnraum. Doch die an den Rändern ausufernden Städte gilt es nach Pfeiffers Meinung einzudämmen. Systematisch müsse der Stadtteilbau vorangetrieben, Suburbia von Anfang an mit Läden, Büros und Dienstleistern gebaut werden. fok
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