■ Mit der Elvismania auf du und du: Ein Mörderhammer
„Für uns vom Image her ein Mörderhammer.“ Henning Goes, Bremerhavens Werbechef, gerät angesichts des unerwartet großen Medieninteresses ins Schwärmen. Am Wochenende drängelten sich hunderte von Besuchern in Bremerhavens Columbus-Bahnhof, wo für die vier Tage des Elvisfestivals neben Elvis-Tanznächten Elvis-Filme am laufenden Meter und zwei kleine Ausstellungen angeboten wurden.
Die eine der Ausstellungen zeigt Elvis-Devotionalien, zusammengetragen von einer deutschen Sammlergruppe. Deren Sprecher Oskar Hentzschel aus Gelsenkirchen kann zu jedem Stück in den Vitrinen eine kurzweilige Geschichte erzählen. Sein ältestes Objekt ist die Holy Bible der Familie Pressley (damals – 1872 – noch mit Doppel-S geschrieben). Wie sie von dort nach Deutschland gekommen ist? Hentzschel sagt diplomatisch: „Wir können und wollen nicht alles zurückverfolgen.“ Aber alles, was in der Ausstellung zu sehen ist, sei authentisch. Elvis väterlicher Freund Joe Esposito, zu Gast in Bremerhaven, habe es ihm persönlich mit den Worten „You've gotta fine collection“ bescheinigt. Das gilt auch für die Häkelhandschuhe von Elvis Großmutter, mit denen sie bei ihrem Enkel in Bad Nauheim aufgetaucht sein soll. Außerdem: Der erste Plattenvertrag, der noch von Mutter Grace mitunterzeichnet werden mußte, Singles, Autogramme, Hemden, Manschettenknöpfe, Rasierapparate (Remington DeLuxe), Nagelpflege-Sets, Zigarettenetuis, Gitarren, Polizeiabzeichen und die Armeeuniform, mit der er 1958 in Bremerhaven an Land ging. Schon einen Tag später mußte er sich von ihr trennen, da er sich an einen frisch gestrichenen Fensterrahmen gelehnt hatte.
Oskar Hentzschel ist seit seinem 12. Lebensjahr ununterbrochen Elvis-Fan. „Meine 80jährige Mutter fragt mich heute manchmal: Machst Du immer noch mit dem Elvis? Ich sage: Ja, Mutter, schon 40 Jahre. Sie: Das ist eine lange Zeit.“
Wieviel Zeit seit den 50ern vergangen ist, macht die zweite Ausstellung mit Möbeldesign der 50er Jahre besonders sichtbar. Die Bremerhavenerin Kerstin Freytag-Löringhoff sammelt seit Jahren alles, was ihr in die Hände fällt. Inzwischen hat sie keinen Lagerplatz mehr für ihre zahlreichen Stücke, für die sie sich vergeblich ein Museum wünscht. Die Besucher schieben sich an Hühnerdrahtstühlen und Nierentischen vorbei, an Tütenlampen, stolzen Negergipsköpfen fürs Wohnzimmer, an vollständigen Küchen und ganzen Ladeneinrichtungen. Und an allen Ecken und Enden ist lautes Geflüster zu hören: „Weißt du noch, das hatten wir auch gehabt!“ Elvis und die 50er Jahre: Der King lebt weiter, die muffigen 50er gehören ins Museum. hh
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