■ Mit den Wahlen in Mosambik scheint die Befriedung der Region des südlichen Afrika eine beschlossene Sache: Ein feierliches Ritual
Kaum ein Feld auf dem Schachbrett des Kalten Krieges war so heiß umkämpft wie das südliche Afrika. Mit Ausnahme von Indochina hat wohl keine Region der Erde so viele Bewohner und so viele Reichtümer auf dem Schlachtfeld der Ideologien zurücklassen müssen: Angola, Mosambik, Rhodesien/ Simbabwe, Namibia und auch Südafrika – alle waren sie Schauplätze des Weltbürgerkrieges, der hier zwischen Verfechtern einer auf der Rassensuprematie der Weißen gründenden Kolonialordnung und den Überresten der vielfach unterjochten und zerschlagenen schwarzafrikanischen Gesellschaften geführt wurde.
Jetzt wird aufgeräumt. In Südafrika regiert der einstige Staatsfeind Nelson Mandela. In Angola wird aller Voraussicht nach im November ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Rebellenbewegung „Unita“ den inzwischen längsten Bürgerkrieg Afrikas beenden. Und heute schreiten die Bewohner Mosambiks an die Wahlurnen und erteilen damit vermutlich einer Art gemeinsamer Regierung der einstigen Todfeinde aus der ehemals marxistischen Regierung und den Rebellen der „Renamo“ ihren Segen.
Noch ist weder im einen noch im anderen Land der Frieden sicher. September 1992 waren die Hoffnungen groß, als in Angola derselbe Wahlakt bevorstand wie jetzt in Mosambik. Als „Unita“-Führer Jonas Savimbi die Wahlen verlor und seine Niederlage nicht anerkannte, flammte der Bürgerkrieg jedoch noch heftiger auf als zuvor. Aber seither hat sich vieles verändert. Die Vereinten Nationen haben aus ihrem angolanischen Fehler, als sie ihre Soldaten trotz des absehbaren neuen Krieges gleich nach den Wahlen abzogen, gelernt: In Mosambik sind sie mit 4.000 Blauhelmen viel stärker präsent, und sie wollen mindestens bis Jahresende bleiben. Zudem steht der Erfolg der demokratischen Revolution in Südafrika als gigantisches Exempel über der gesamten Region.
Es gibt weltweit keine wesentliche Macht mehr, die am weiteren Konflikt im südlichen Afrika ein Interesse hätte. Mandela hat vor allem in Angola diplomatisch nichts unversucht gelassen, um die schwärende Kriegswunde zu heilen, die eines der potentiell reichsten Länder Afrikas zum Elend verurteilt. Er schrak nicht einmal davor zurück, den wohl blutrünstigsten Diktator des Kontinentes, Mobutu Sese Seko in Zaire, in die Friedenssuche einzuspannen, um ihn mittels außenpolitischer Wertschätzung dazu zu bewegen, seine Kumpanei mit „Unita“-Führer Savimbi zunächst auf Eis zu legen. Grundlage der Friedenshoffnungen ist diese heimliche, nur aus pragmatischen Interessen zu erklärende faktische Allianz zwischen Friedensnobelpreisträger Mandela und Korruptionsweltmeister Mobutu – gewiß geschmacklos, aber auch unumgänglich. Zum ersten Mal in diesem Jahrhundert könnte das südliche Afrika nun also eine Region ohne Krieg und Rassendiktatur werden. Es müßte der Augenblick sein, über die neue Zukunft nachzudenken, also den von Unterdrückung und Krieg gebeutelten Völkern Perspektiven zu bieten. Hier ist ein Paradox zu konstatieren: Die Befreiung Südafrikas birgt die Gefahr, die Nachbarstaaten nachhaltig zu destabilisieren. Aus Simbabwe und Botswana ziehen Firmen, die den Apartheid-Staat scheuten, ans Kap und nehmen ihre Arbeitsplätze mit, während die Auswanderung von Arbeitsuchenden nach Südafrika immer mehr erschwert wird und südafrikanische Auslandsinvestitionen rar bleiben. Südafrika, das in den Hochzeiten des Krieges die Herrschaft über die gesamte Südhälfte des Kontinents suchte, richtet sich nach innen, doch die geschaffenen Abhängigkeiten der anderen bleiben bestehen. Von gemeinsamen Wirtschaftsprojekten wird zwar gesprochen – aber immer in der Zukunftsform.
Es liegt also auf der Hand, daß die Zukunft des südlichen Afrika ohne Hilfe aus anderen Kontinenten nicht gelingen kann. Keine Regierung der Welt bezieht einen so großen Teil ihres Budgets aus der Auslandshilfe wie Mosambik. Die mosambikanische Wahl wird hauptsächlich von der EU finanziert und von der UNO überwacht; sie ist weniger ein aus inneren Erwägungen entstandener identitätsstiftender Akt denn ein Ritual, mit dem das Land feierlich die Schwelle zur Staatengemeinschaft passiert. Auch der Frieden in Angola, wenn er denn kommt, wird seine Akzeptanz der internationalen Mithilfe verdanken. Wäre Versöhnung allein von innen heraus möglich, gäbe es sie schon längst.
Aber der Impuls von außen krankt an seinem eigenen Traum: dem, daß dieselben weißen Mächte, die durch ihre vielen Projekte der Unterordnung und dann der Neuordnung die Konflikte entscheidend mit gesteuert haben, nun auch ihre Auflösung durchführen. In Südafrika ist bereits zu erahnen, daß die schwarze Mehrheit sich vielleicht nicht ewig mit dem Verweis auf ein hinter dem Wirtschaftsaufschwung liegendes Übermorgen abfinden läßt.
In Namibia, wo die Befreiung vier Jahre zurückliegt, und in Simbabwe, wo sie schon vierzehn Jahre alt ist, sind Rassenspannungen noch virulent, wie es die jüngsten Ausschreitungen schwarzer Studenten vor von Weißen bevorzugten Restaurants in der simbabwischen Hauptstadt zeigten. In Angola und Mosambik gibt es zwar keine weißen Siedler, wohl aber die weißen Geldgeber und Friedensstifter. Sollten sie ihre Gestaltungsmöglichkeiten überschätzen, könnten auch sie irgendwann Früchte des Zorns ernten. Dominic Johnson
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