■ Mit den Volvo-Schlitten auf du und du: Ende der Musterfabrik
Stockholm (taz) – Der schwedische Autohersteller Volvo schlittert immer tiefer in eine Absatzkrise. Um mehr als 25 Prozent sind die Verkaufszahlen für Personenwagen in den letzten vier Jahren zurückgegangen. In der Göteborger Montagefabrik läuft heute nicht einmal mehr die Hälfte der 167.000 Pkw aus dem Rekordjahr 1987 vom Band. Da auch in diesem Jahr die Verkaufszahlen weiter nach unten zeigen, will die Geschäftsleitung nun ihre Musterfabriken zum Jahresende dichtmachen.
Von der Schließung betroffen sein werden aller Voraussicht nach die Standorte Uddevalla und Kalmar. Beide Fabriken, die derzeit nur noch halb ausgelastet sind, gelten als Symbol für die Abkehr von der tayloristischen Produktionsweise: Fließbänder gibt es dort nicht mehr; Gruppen von MontagearbeiterInnen fertigten jeweils selbständig Komponenten und montierten die Fahrzeuge zusammen.
Vor allem Uddevalla, das mit großem Pomp erst vor drei Jahren eingeweiht wurde, sollte das Aushängeschild für Volvos Bemühungen um humanere Arbeitsbedingungen sein. In den nach neuesten ergonomischen Gesichtspunkten ausgestatteten Hallen und einer Arbeitsumwelt, die innerhalb der Automobilindustrie weltweit vermutlich einmalig ist, gelang es auch, durch eine entsprechende Arbeitsorganisation, monotone Arbeiten weitgehend zu vermeiden. Der Erfolg: Volvo hatte keine Probleme mehr, qualifiziertes Personal zu finden. Auch die Krankenquote und die Fluktuationsrate gingen drastisch zurück.
Daß die nagelneue Uddevalla-Fabrik jetzt auf der Abschußliste steht, hat nach Angaben von Volvo nichts mit dieser neuen Produktionsweise zu tun. Klas Magnusson von der Volvo- Geschäftsleitung: „Alle unsere Fabriken liegen, was die Produktivität angeht, ungefähr gleichauf – unabhängig von der Arbeitsorganisation.“ Es ist aber ein offenes Geheimnis, daß Volvos Partner Renault der neuen Arbeitsorganisation äußerst skeptisch gegenübersteht. Renault-Chef Louis Schweitzer macht keinen Hehl daraus, daß ihm die beiden Musterfabriken ein Dorn im Auge sind: Sie könnten sich bei der Produktivität nicht mit der europäischen Konkurrenz messen. Die Renault-Ressentiments haben eine auffallende Parallele: kaum war General Motos beim schwedischen Autohersteller Saab eingestiegen, wurde die nagelneue fließbandfreie Saab-Fabrik in Malmö geschlossen. Reinhard Wolff
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