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Mit dem Zug nach Bali (Teil V)Neue Seidenstraße für Billigwaren

Nach 5.500 Kilometern endet die Bahnstrecke. Das heißt: Umsteigen auf Marschrutnui und Audi. Einblicke in die vom Klimawandel irritierte Energiewirtschaft Kirgisistans.

Schnee und Staub: Kältewüste Tientschan. Bild: nick reimer

BALUIKSCHI taz Die "Schelesnaja Doroga" - was in der russischen Sprachhemisphäre gleichbedeutend mit "Eisenstraße", also Zug, ist - endet im kirgisischen Baluikschi. Dafür bahnt sich hier die legendäre Seidenstraße ihren Weg über den Tientschan. Berlin ist 5.500 Zugkilometer entfernt, jetzt heißt es umsteigen auf Marschrutnuis, Transporter, die Aufschriften wie "Frisches Obst aus Quedlinburg" oder "Haus- und Gartenservice" haben. Richtige Busse fahren hier nicht mehr.

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Nick Reimer ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz. Zum Weltklimagipfel im Dezember hat er sich mit dem Zug Richtung Bali aufgemacht.

Der Fahrplan der Marschrutnuis richtet sich nach den Bedürfnissen: Sie starten, wenn die neun bis elf Plätze besetzt sind. Neben ein paar Sammeltaxis sind hier kaum noch Autos unterwegs. Dafür aber jede Menge Eselskarren. Und Lkws.

Im September 1998 unterzeichneten 12 zentralasiatische und südeuropäische Staaten ein Abkommen, einen von Russland unabhängigen Verkehrsweg zu schaffen. Die "neue Seidenstraße" soll von Kirgisistan bis Usbekistan, von Turkmenistan bis Georgien, über Moldawien, Rumänien bis Bulgarien reichen. Finanziell unterstützt wird der Ausbau durch die USA und die EU. Es geht darum, den alten euro-asiatischen Korridor entlang der historischen Seidenstraße wiederzubeleben. Fast alle Unterzeichner waren einst vom Sowjetimperium abhängig; als sie in die Unabhängigkeit entlassen wurden, entstand ein politisches und wirtschaftliches Vakuum. Das Projekt "neue Seidenstraße" soll dieses füllen und helfen, sich auf eigene Geschichte zu besinnen und neues Selbstbewusstsein zu schaffen.

Statt Gewürzen, Jade oder Seide transportieren die Karawanen der Neuzeit allerdings billige Hemden, Socken oder Röcke Richtung Westen. Auf dem Rückweg laden sie Schrott, Rohstoff für Chinas Wirtschaft.

Naryn ist ein schmuckloses Verwaltungszentrum in Kirgisistans südlicher Mitte. Der Ölradiator ist hier präsenter als der Fernseher. Weil sich Kirgisistan Erdgas aus Usbekistan oder Kasachstan nur bedingt leisten kann, wird hauptsächlich mit Strom geheizt.

Das geht nicht ohne Nebenwirkungen: Um im Winter genug Strom produzieren zu können, werden die Staubecken der Wasserkraftwerke schon in den Sommermonaten gefüllt. Unten in den Ebenen fehlt den Bauern deshalb das Wasser - ausgerechnet wenn sie es dringend bräuchten. Im Winter rauscht das gestaute Nass dagegen durch die Turbinen und überschwemmt nicht selten die Felder.

Zweimal die Woche hält in Naryn ein Bus ins chinesische Kashgar. Sonst hilft nur ein Taxi. Risbek fährt die Route drei- bis viermal die Woche. Er schwört auf seinen Audi 80 CS. Zwar ist der schon Baujahr 1986, "aber was anderes als ein Audi würde die Piste gar nicht schaffen", sagt der 37-Jährige völlig überzeugt.

Um den wachsenden Strombedarf zu decken, gibt es Pläne, weitere Staustufen in die "Himmelsberge", wie der Tientschan hier heißt, zu schlagen. Das hat die Chinesen auf den Plan gerufen: Der Tientschan nämlich verteilt das Wasser ungerecht. Das meiste fließt gen Norden ab, jetzt aber sollen auch Flüsse gestaut werden, die die chinesischen Oasenstädte im Süden versorgen.

Dabei ist Wasser hüben wie drüben ein Problem: Hier bekommt Zentralasien den Klimawandel direkt zu spüren. Weil es deutlich weniger regnet, ist das Wasser in den fruchtbaren Ebenen vor und hinter den Bergen spürbar knapper geworden.

Rispeks größter Traum ist, Autohändler zu werden. "20 Audis aus Deutschland holen und dann hier verkaufen, das wärs", sagt er. Aber er war noch nie in Europa und in Deutschland schon gar nicht. Er weiß nicht mal, ob der Audi 80 CS überhaupt noch gebaut wird. "Was anderes soll es nicht sein. Der Wagen ist ideal für hier."

Es ist bitterkalt, und am zweiten Tag der Überfahrt über den Tientschan zeigt sich endlich die chinesische Grenze auf dem 3.752 Meter hohen Torugart-Pass. Kilometerweit stehen die Trucks vor einer von Kalaschnikow-Trägern bewachten doppelten Mauer aus Stacheldrahtverhauen. Grenzkontrolle. Rispek kennt sich hier aus: Ein "Hallo" hier, ein Geldschein da - nach anderthalb Stunden ist alles klar. China ist erreicht.

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