■ Mit dem Wasserrecht auf du und du: Verwässerung droht
Berlin (taz) – „Ein Rückfall ins letzte Jahrhundert“ drohe im deutschen Wasserrecht. Das befürchtet der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Während das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bislang unter Fachleuten als das „schärfste Schwert im Umweltrecht“ galt, steht bei der jetzt anstehenden Novellierung Grundlegendes auf dem Spiel.
Künftig sollen die „Mindestanforderungen“ des WHG für die Einleitung von Abwasser in Flüsse und Kanalnetze unterboten werden können – je nach wirtschaftlicher Lage eines Betriebes. Dies sieht ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor, der ganz auf die „Verhältnismäßigkeit“ im Einzelfall abstellt. „Damit würde das WHG auf das Niveau des preußischen Wassergesetzes aus dem 19. Jahrhundert zurückfallen“, kritisiert BBU-Wasserexperte Nik Geiler. „Erst das WHG ersetzte die Einzelfallprüfungen durch Mindestanforderungen, die ohne Wenn und Aber für die gesamte Branche gelten.“
Völlig unverständlich ist für Geiler, daß der Bundesrat seinen Plan als „Standortsicherung“ verkauft. Letztlich sei der Länder-Vorschlag völlig „kontraproduktiv“, denn die vielen Einzelprüfungen würden die staatliche Wasserverwaltung sofort lahmlegen.
Deshalb hat die Bundesregierung inzwischen einen Alternativgesetzentwurf vorgelegt. Hier soll die „wirtschaftliche Durchführbarkeit“ von Wasserschutzmaßnahmen bereits bei den „Mindestanforderungen“ berücksichtigt werden. „Auch dies ist ein Systembruch“, meint Geiler.
Bei der heute im Bundestag stattfindenden Anhörung werden unübersichtlicherweise auch die Wirtschafts- und Industrieverbände klagen. Sie empfinden die Neuregelung nämlich als „unannehmbare Verschärfung“. Und tatsächlich hat sich auf dem Papier einiges getan. Während bisher nur für „gefährliche“ Abwässer der „Stand der Technik“ einzuhalten war, soll dies demnächst auch für sonstige Abwässer gelten. Um etwa organische Belastungen besser in den Griff zu bekommen, dürfte dann auch bei „nicht-gefährlichem“ Abwasser die beste verfügbare Technik vorgeschrieben werden. Bisher konnte nur das verlangt werden, was sich bereits in der Praxis durchgesetzt hatte.
Dennoch bestreitet Geiler vehement, daß von einer „Verschärfung“ gesprochen werden kann: „Es ist einfach eine Verwässerung, wenn dabei das gesamte Wasserrecht unter das Primat der Wirtschaftlichkeit gestellt wird.“ Christian Rath
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