: Mit dem U-Bahn-Fahrplan im Kopf
■ Schätzung: Drei Prozent der Hamburger sind Analphabeten
Sie orientieren sich an Farben, Bäumen oder Gebäuden: Menschen, die weder lesen noch schreiben können. „Analphabetismus ist in erster Linie ein soziales Problem und hat nicht unbedingt mit der Lernfähigkeit oder Auffassungsgabe des Betroffenen zu tun“, sagte Cornelia Kehrt, Sozialpädagogin bei der Hamburger Erwachsenen-Bildung. In Hamburg sind laut UNESCO etwa drei Prozent der Bevölkerung Analphabeten.
Hauptursache von Analphabetismus ist nach Kehrts Angaben das soziale Umfeld. „Den Leuten wird ein Leben lang eingeredet, daß sie Versager seien.“ Selbstaufgabe, Resignation und Rückzug kennzeichneten ihren Lebensweg. „In der Schule wurden sie mit ihren Problemen ignoriert oder in Sonderschulen abgeschoben. Wichtigster Ansatz bei jeglicher Hilfestellung ist erst einmal, dem Betroffenen klar zu machen, daß er Dinge genauso erlernen kann wie andere auch“. Erschwerend komme dabei hinzu, daß Analphabeten häufig in völliger Einsamkeit leben.
Viele Analphabeten schlagen sich jahrelang mit einer bestimmten Taktik durch und orientieren sich beispielsweise an Gebäuden oder Bäumen. „Da gibt es welche, die den gesamten Fahrplan der U-Bahn auswendig kennen oder ein fotografisches Gedächtnis haben“, betonte die Sozialpädagogin. dpa
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