■ Mit dem Katalysator auf du und du: Weihrauch und CO2
Berlin (taz) – Vorgestern stieg außer Kohlendioxid auch Weihrauch auf in Bonn. Bundesumweltminister Klaus Töpfer ließ eine Pressemitteilung verteilen, in der er das zehnjährige Engagement der Bundesregierung für reine Luft pries – im Verkehrsbereich, wohlgemerkt. Wer keine ozonbedingten Kopf- oder Augenschmerzen hat, vernehme das Credo: „In den alten und neuen Bundesländern zusammen werden 1993 voraussichtlich 4.200 Tonnen Blei weniger in die Umwelt emittiert als bei der Verwendung von verbleitem Benzin.“ Schön. Ohne Katalysator wäre alles noch viel schlimmer. Wohl wahr. Aber leider, leider wuchs die Menge der Autos, was nicht nur die staugeplagten FahrerInnen beziehungsweise SteherInnen nervt: während es 1983 rund 24.580.000 PKW in Westdeutschland gab, sind es heute schon 32.290.000. Und in Ostdeutschland ist die Zuwachsrate „naturgemäß“, wie unser Umweltminister schreibt, noch weitaus höher.
Da nützen die ganzen teuren Katalysatoren nichts. Denn was beim einen an Stickoxid, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff gespart wird, kommt durch den Verkehrszuwachs wieder hinzu – zumal der Kat bei vielen Autos offenbar mehr schlecht als recht funktioniert: der TÜV Essen stellte bei 61 von 131 Fahrzeugen Grenzwertüberschreitungen fest.
So pufften die Autos in Deutschland 1985 rund 1,7 Millionen Tonnen in die Luft, 1990 waren es gar 1,9 Millionen. Am schlimmsten aber wirkt sich die Blechlawine beim Kohlendioxid (CO2) aus – denn kein Filter oder Katalysator kann etwas dagegen ausrichten. So stieg die CO2-Menge zwischen 1985 und 1990 um gut 20 Prozent.
Aber Minister Töpfer will sich dadurch weder seinen Urlaub in der Türkei (Fahrrad, Zug, Auto, Flugzeug? Wetten nimmt das Umweltministerium entgegen) noch seinen Erfolg vermiesen lassen, daß er die EG-Partner vom Katalysator überzeugt hat. aje
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen