■ Mit dem Fisch-Öko-Siegel auf du und du: Fauler Stempel
Bremen (taz) – Eines Tages ist der letzte Fisch gefangen und die Fischer, Tiefkühlkost-Hersteller und Fischhändler sind pleite. Um dieser Horrorperspektive zu entgehen, hat in der internationalen Fischwirtschaft, das Umdenken begonnen. Auch wenn den Worten nicht immer Taten folgen, war doch bei der Fachmesse „Fisch '98“ viel von der „nachhaltigen Fischerei“ die Rede.
Bislang geht die Jagd ungebremst weiter: Japanische, europäische und südamerikanische Fangflotten dringen auf der Jagd nach den Gründen des Seelachses und anderer begehrter Fischarten bis in die Polarmeere und vor die Küsten von Mauretanien und Senegal vor. 1996 wurden weltweit rekordverdächtige 121 Millionen Tonnen Fisch an Land gezogen.
Um aber die Bestände langfristig zu erhalten, sei das viel zu viel, errechnete Greenpeace: Bis 2005 sollen die Fangquote halbiert und Subventionen für industrielle Fangschiffe gestrichen werden. Wichtig wäre auch ein Verbot der Schleppnetze in der EU, das heute in Brüssel beraten wird.
Weil die deutschen Verbraucher sich nur zögerlich für bisher unbekannte Fischarten begeistern und die Bestände der beliebten Arten Rotbarsch, Seelachs und Kabeljau bedroht sind, wächst aber auch in der Branche die Einsicht: Ohne Kriterien für schonenden oder ökologischen Fischfang geht es langfristig nicht weiter. „Schließlich können wir nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen“, sagt Gesine Pansch, Sprecherin der Fischhandelskette Nordsee aus Bremerhaven. Der Handel drängt auf ein „Öko-Siegel“ für Fisch. Ein solches Zertifikat will die britische Organisation Marine Stewardship Council (MSC) vergeben. Die MSC ist 1996 mit Geburtshilfe der Umweltstiftung WWF und des britisch-holländischen Lebensmittelkonzerns Unilever entstanden, zu dem bis vor kurzem auch Nordsee gehörte.
Inzwischen ist MSC mit dem früheren britischen Umweltminister John Gummer an der Spitze unabhängig, die Nähe zur Wirtschaft ist aber geblieben. Die Nordsee-Sprecherin findet es durchaus interessent, in absehbarer Zeit Fisch anbieten zu können, der mit Sicherheit nicht mit 80 Prozent unnützem Beifang im Netz gelandet oder aus zwölf verschiedenen Jungfischen zusammengepreßt ist.
Umweltschützer halten die Idee eines Labels zwar für richtig, doch die Kriterien, die selbst hinter einige UNO-Vereinbarungen zurückfallen, für zu lasch. „Der Happy Fisch ist kein Öko-Label, sondern höchstens ein Zeichen für den besseren Fisch auf dem Markt“, kritisert der Greenpeace-Experte Peter Pueschel. So sei es bedenklich, wenn das Siegel auch für Fisch aus überfischten Beständen vergeben werden solle, sofern ein „Erholungsprogramm“ existiere. „Im Moment wären Hering, Kabeljau und Scholle nicht zu zertifizieren“, meint Pueschel. Nur ein Stopp der industriellen Fischerei könnte Erholung bringen. Joachim Fahrun
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