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■ Mit dem Elektrosmog auf du und duGrenzwert-Gezerre

Berlin (taz) – Die Bundesregierung plant eine Verordnung zum Elektrosmog, der zum Beispiel von Funktelefonen und Hochspannungsleitungen ausgeht. Ähnlich wie bei der leidigen Verordnung zum Sommersmog geht nun das Gezerre um die wichtigen Details hinter den Kulissen los, nämlich über die für Rechtsprechung und Genehmigung wichtigen Grenzwerte.

Die wichtigen Meßgrößen in diesem Zusammenhang sind die elektrische und die magnetische Feldstärke. Denn bei all dem Elektrosmog handelt es sich um die Wellen, die von Antennen und Stromleitungen abgestrahlt werden. Elektrizität und Magnetismus hängen zusammen. Wenn sich Funkwellen durch die Luft bewegen, dann sind sie quasi fliegende Magnete und elektrische Plus- und Minusladungen gleichzeitig. In einem regelmäßigen Rhythmus – der Frequenz – verwandeln sich die Wellen von kleinen Magneten mit Nord- und Südpol zu kleinen Batterien mit Plus- und Minuspol und wieder zurück. Die Feldstärke hängt davon ab, wie stark bei den von einer Antenne abgestrahlten Wellen die Magnete und die Ladungen sind.

Der Streit dreht sich dabei vor allem um die Wirkung der Feldstärke auf den menschlichen Körper. Da die Nerven, mechanistisch gesehen, ihre Signale über elektrische Impulse weitergeben, wirkt hier die elektromagnetische Komponente des Elektrosmogs. Auch auf die Zellen mit ihren vielen elektrisch geladenen Molekülen dürften die Wellen einen Einfluß haben.

Die Vertreter der Internationalen Strahlenschutzvereinigung und damit auch der für die deutschen Grenzwerte maßgeblichen Deutschen Strahlenschutzkommission gehen von einem direkten Zusammenhang aus: Starke Wellen haben einen großen Einfluß. Sie testen daher die Wirkung der elektromagnetischen Stahlung, indem sie hohe Feldstärken für kurze Zeit auf Versuchspersonen loslassen und dann medizinische Tests vornehmen. So kamen sie für die neue Verordnung zum Beispiel auf Werte für die Hochspannungsleitungen der Stromversorger. Neue Leitungen werden nur noch genehmigt, wenn in dauerhaft bewohnten Gebäuden in der Nähe die magnetische Flußdichte (eine Meßgröße für das magnetische Feld) unter 100 Mikrotesla liegt.

Nach Ansicht des BUND- Experten Wilfried Kühling geht die Bundesregierung von einem völlig falschen Wirkungsentwurf aus. Denn langfristige Auswirkungen von Strahlung mit niedriger Feldstärke und sich überlagernde Wirkungen würden ausgeklammert. Die Grenzwerte in der Elektrosmogverordnung liegen laut Kühling um den Faktor 1.000 bis 10.000 über den Werten, die für Bildschirmarbeitsplätze gelten. Das Institut für Biometrie an der Universität Freiburg kommt bei einer Abschätzung für die oben schon erwähnten Hochspannungsleitungen zu einem Feldstärkewert von 0,25 Mikrotesla. Schon ab diesem Wert sei das Krebs- und Leukämierisiko erhöht.

„Die neue Verordnung verschlechtert die Situation sogar“, meint Wulf-Dietrich Rose von der Internationalen Gesellschaft für Elektrosmog-Forschung in Rosenheim: „Bisher konnten die Gerichte den neuesten Stand der Forschung berücksichtigen. Künftig geht es nur noch um die Einhaltung der festgelegten Grenzwerte.“ rem

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