■ Mit dem EU-Haushalt auf du und du: Scheinbare Einsparung
Brüssel (taz) – Die EU soll sparen lernen. Die 15 Finanzminister kürzten am Donnerstag abend sogar bei den heiligen Kühen: 1997 gibt es danach jeweils 1,9 Milliarden Mark weniger für Landwirtschaft und Strukturhilfe in wirtschaftlich rückständigen Gebieten. Unterm Strich hat die EU 1997 laut Haushaltsentwurf mit 152 Milliarden Mark etwa 0,3 Prozent weniger zur Verfügung als 1996 – zumindest auf dem Papier.
Weder die Bauern noch die rückständigen Regionen müssen aber fürchten, im nächsten Jahr weniger Geld zu bekommen. Die Ausgaben für Landwirtschaftspolitik, die rund die Hälfte der 152 Milliarden verschlingt, sind langfristig festgelegt und vertraglich abgesichert. Dasselbe gilt auch für die Strukturhilfe, die etwa ein Drittel des EU-Haushaltes verbraucht.
Doch in den letzten Jahren wurde immer etwas großzügig kalkuliert. Vor allem bei der Landwirtschaftspolitik läßt sich der Geldbedarf nie so genau vorhersagen. Wenn die Weltmarktpreise für Getreide oder Rindfleisch sinken, muß die EU mehr Geld für die Unterstüzung der Bauern aufwenden. Da sie keine Schulden machen darf – da sind die Finanzminister unerbittlich – müssen die Mitgliedsländer von vornherein genügend überweisen. Am Jahresende wird das überschüssige Geld dann zurückgezahlt.
Bei der Strukturhilfe läuft das ähnlich. Weil die fest zugesagten EU-Mittel etwa für Straßen- oder Umweltschutzprojekte nur fließen, wenn die Regierung des betroffenen Landes sich an der Finanzierung beteiligt, bleibt regelmäßig Geld übrig. Die Mitfinanzierung aus dem nationalen Haushalt soll vermeiden, daß mit dem Geld aus Brüssel unsinnige Sachen gemacht werden, nur weil sie geschenkt sind. Doch alle Regierungen haben Finanznöte und verzichten manchmal lieber auf EU-Geld, um den Eigenanteil einzusparen. Häufig gibt es auch einfach Schwierigkeiten, die EU-Mittel in der vorgeschriebenen Zeit auszuschöpfen.
Für 1995 etwa bekamen die Finanzminister insgesamt 17 Milliarden Mark zurück. Die jetzt geplanten Einsparungen bedeuten deshalb nur, daß die Mitgliedsländer weniger Geld nach Brüssel überweisen und auch weniger zurückbekommen. Sie müssen am Jahresanfang weniger Schulden machen und haben bessere Chancen, 1997 die Bedingungen für die Währungsunion zu erfüllen.
Wer wieviel bezahlt, ist genau aufgeschlüsselt und richtet sich nach dem Bruttosozialprodukt und dem Mehrwertsteueraufkommen. Deutschland etwa zahlt knapp 30 Prozent des EU- Haushaltes, Frankreich um die 20 und Luxemburg 0,2 Prozent.
Trotzdem gab es erhebliche Widerstände gegen die Scheinkürzungen. Bauernverbände wie benachteiligte Regionen fürchten, daß dies der Auftakt für künftige echte Streichkonzerte ist. Die Finanzminister betonen, daß es sich in der Tat um ein Signal handelt: Die EU- Ausgaben sollen nicht mehr steigen, sondern sinken. Beim nächsten Mal geht es ans Eingemachte. Alois Berger
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