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■ Mit dem EU-Binnenmarkt auf du und duNoch immer im Aufbau

Brüssel (taz) – Der Europäische Binnenmarkt befindet sich immer noch im Aufbaustadium. Im EU-Schnitt harren noch rund zehn Prozent der erforderlichen Maßnahmen der Umsetzung. Darauf wird Binnenmarktkommissar Mario Monti heute in einem Bericht den EU- Ministerrat hinweisen.

Offiziell begann der gemeinsame Binnenmarkt am 1. Januar 1993. Doch dieses Datum war nur eine symbolische Zielmarke ohne rechtliche Relevanz. Konkret kommt es darauf an, daß alle für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr relevanten EU-Richtlinien in das Recht der Mitgliedstaaten übernommen werden. 1985 zählte die EU-Kommission in einem Weißbuch insgesamt 221 solcher Maßnahmen auf. Später schob sie eine detaillierte Liste mit 1.378 umzusetzenden Rechtsakten nach.

Drei Jahre nach dem offiziellen Start des Marktes ohne Handelshemmnisse ist die Erfolgsquote bezüglich beider Listen jedoch enttäuschend. Im EU-Durchschnitt sind erst 92,6 Prozent der Weißbuch-Maßnahmen und 89,7 Prozent der binnenmarktrelevanten Richtlinien umgesetzt. Hauptsorgen bereiten Mario Monti die drei Bereiche Patent- und Urheberrechte, Versicherungen und öffentliches Beschaffungswesen.

Am EU-freundlichsten ist mit Dänemark ausgerechnet ein Land mit einer starken euro- skeptischen Minderheit. Politikwissenschaftler sehen hier einen Zusammenhang. Wegen der kritischen Öffentlichkeit in Dänemark werden geplante EU- Rechtsakte dort vor der Verabschiedung intensiver diskutiert. Dänische Regierungsvertreter bekommen in allen Fragen ein Votum des Parlaments mit auf den Weg. Ist ein Rechtsakt dann beschlossen, wird er zügig umgesetzt.

Deutschland steht, gemessen an der Weißbuch-Liste an drittletzter Stelle, bezüglich der umfassenderen und aktuelleren Richtlinienliste aber im oberen Mittelfeld. Am meisten ist noch zu tun in Österreich und Finnland, zwei Neu-Mitgliedstaaten.

Die Umsetzung einer EU- Richtlinie in nationales Recht garantiert noch nicht, daß dieses Recht auch tatsächlich angewandt wird. Gerade in Südeuropa dürfte hier einiges im argen liegen. EU-Insider haben dafür den Begriff des „romanischen Vollzugs“ geprägt. Darüber wird Montis Bericht höflich schweigen. Christian Rath

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