piwik no script img

■ Mit dem Balatonsee auf du und duGrüngelbe Algenbrühe

Budapest (taz) – Die ungarische Tourismusindustrie hat in diesem Jahr noch einmal Glück gehabt. Erst jetzt, in der Nachsaison, ist im Balaton, zu deutsch Plattensee, die Katastrophe eingetreten. Eine Algenpest verseucht seit Tagen das Wasser des größten mitteleuropäischen Sees und gefährdet die darin lebenden Fische.

Die Algen haben sich „in noch nie dagewesenem Maße vermehrt“, so die Behörden. In einem großen Teil des Gewässers steht eine dicke, gelbgrünliche Brühe. Fische, hauptsächlich Aale, Hechte und Zander, verenden bereits in größerer Anzahl. Ein Massensterben erwarten Experten in den kommenden Monaten, spätestens am Ende des nächsten Winters. Das Baden im Balaton wurde zwar noch nicht verboten, jedoch davon abgeraten. Die Behörden warnen, daß es besonders bei Menschen mit empfindlicher Haut zu Entzündungen kommen könne, weil die Algen Giftstoffe ausscheiden.

Schon im Sommer, während einer langen Trockenperiode, verschlecherte sich der Zustand des Balatons deutlich. Um die Touristen nicht aufzuschrecken, sammelten spezielle Suchtrupps am frühen Morgen tote Fische aus dem Wasser, die an Sauerstoffmangel eingegangen waren. Maschinen am Nordwestufer des Sees erzeugten Wellen, um das Wasser aufzuwühlen.

Als Ursache der jetzigen Algenkatastrophe nennen Experten vor allem den Massentourismus und unkontrollierte Abwassereinleitungen in den empfindlichen See. Er ist zwar 77 Kilometer lang und zwischen 3 und 14 Kilometern breit. Doch seine Durchschnittstiefe beträgt nur 3 Meter und selbst da, wo er am tiefsten ist, sind nicht mehr als 10 Meter zu loten. An manchen Orten kann der Badegast einen Kilometer in den See hineinwaten.

Für die ungarische Fremdenverkehrsindustrie ist der Balaton die Haupteinnahmequelle, kommen doch jährlich mehrere hunderttausend Menschen hierher. Das Algenblühen ensteht nicht nur durch den einfach in die Landschaft gekippten Abwässer. Auch rund hunderttausend Angler schütten jährlich massenweise Futtermittel ins Wasser, um Fische anzulocken. Schließlich ist auch das Wasser der vielen Bäche, die in den Balaton fließen, von sehr schlechter Qualität.

Heute wird sich nun der „Regionale Balatonrat“ treffen, um über „die Situation zu beraten“ und Konsequenzen zu ziehen. Der Umweltminister Ferenc Baja hat laut eigener Aussage das Kabinett über die „kritische Lage“ informiert und verlangt, die „Rehabilitierungsmaßnahmen“ für den See wieder aufzunehmen, die wegen Geldmangels in den letzten Jahren eingestellt wurden. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, so Baja, „aber jetzt müssen wir alle Kräfte zusammennehmen, um den Balaton zu retten.“ Keno Verseck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen