■ Mit dem Autoverkehr auf du und du: Scheinlösungen
Berlin (taz) – Verkehrsexperten in Bonn und anderswo stehen scheinbar kurz vor der Lösung des Verkehrsproblems: Das Autofahren muß teurer werden, intelligente Straßen werden die Blechkisten staulos durchs Land leiten, der Spritverbrauch wird gesenkt. Alles Scheinlösungen, meint dagegen das Umwelt- und Prognose-Institut Heidelberg (UPI). Autobahngebühren treiben mehr Autos auf die übrigen Straßen. Für die in Bonn geplante Autobahnvignette legt man einmal im Jahr ein paar Mark hin und fährt dann erst recht, man hat ja dafür bezahlt. Verkehrsleitsysteme dienen allein dazu, noch mehr Vehikel auf den Straßen unterzubringen. Sie machen den motorisierten Individualverkehr noch attraktiv, wo sonst längst entnervte Fahrer auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen wären.
Die geforderte Reduzierung des Treibstoffverbrauchs würde das Autofahren deutlich verbilligen. Bei einem Verbrauchsgrenzwert von fünf Litern auf 100 Kilometer halbieren sich die Spritkosten im Vergleich zu heute. Das von Greenpeace propagierte Zwei-Liter-Auto würde Autofahren zum Spottpreis ermöglichen. Zwar würde dann sicher der Schadstoffausstoß pro Auto zurückgehen, aber wenn mehr gefahren wird, gleicht sich dieser Effekt aus. Die anderen Verkehrsauswirkungen – Unfälle, Lärm, Landschaftsverbrauch – hingegen steigen sogar noch.
Ohne eine drastische Erhöhung der Benzinkosten ist ein solcher Vorschlag also umweltpolitisch sinnlos. Heinrich von Lersner, Chef des Umweltbundesamtes, argumentiert andersherum: Autofahren soll ganz langsam teurer werden, den Benzinpreis möchte er zehn Jahre lang um 25 Pfennig pro Jahr angehoben sehen. Mitte des nächsten Jahrzehnts würde der Liter Benzin dann vier Mark kosten. Lersner will dabei aber keine finanziellen Mehrbelastungen für Autofahrer. Sie bräuchten nur verbrauchsgünstigere Autos zu verlangen, dann würden diese auch auf den Markt kommen. Das Autofahren soll zwar teurer werden, aber irgendwie auch wieder doch nicht. Noch ein Fall für die Rubrik Scheinlösungen. Genauso wie der Katalysator: 1992 qualmten 80 Prozent mehr Stickoxide aus den Auspufftöpfen als von der Bundesregierung 1985 bei der Einführung des Katalysators prognostiziert. lieb
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