■ Mit dem Auto zur Demo: Klimakiller unter sich
Bei ihrem Kampf gegen das geplante Luftkreuz über Berlin greifen die Flugplatzprotestler endlich zu der richtigen Waffe: dem Automobil. Statt über Ökologie und Kosten herumzufaseln oder mit urzeitlichen Hüttendörfern zu demonstrieren, wird Gas gegeben. Die Methode leuchtet ein. Mit dem Autokorso durch die halbe Stadt vom Flughafen Tegel über Tempelhof nach Schönefeld bringt man nicht nur die breite Masse der Opel-Manta-Fahrer, Liebhaber der Karnevalsumzüge und Freunde von „Just married“-Konvois leicht hinter sich. Die PS-Attacke zeigt zusätzlich auch durchschlagende Wirkung bei den Gegnern der Aktion. Hupkonzerte und der Einsatz von Kampfgasen werden schwerste stadtneurotische Anomalien und Langzeitschäden hinterlassen.
Aber der Zweck heiligt die Mittel, wie auch den Verlautbarungen der Ein-Mann-Bürgerinitiative „Bürgerinnen und Bürger gegen das Luftkreuz“ zu entnehmen ist. Schließlich geht es um die Schließung der „Mauerflughäfen“ Tegel und Tempelhof und des Pannen-Airports in Schönefeld, die allesamt unsere Stadt zerstören. Keiner kann wollen, daß über Pankow und Reinickendorf die Maschinen auf die Dächer herabstürzen. Niemand ist dafür, daß Neukölln oder Spandau sich entvölkern und die Einflugschneisen zu Lärmslums verkommen, in denen das Faustrecht osteuropäischer Einwanderer und der vietnamesischen Zigarettenmafia herrscht.
Keine Frage, dafür lohnt es sich schon mal, den PS-Knüppel herauszuholen, das Klima zu vergiften und vor der eigenen Haustür den Dreck einfach nach Brandenburg zu fegen. Denn dort ist Raum genug für Start- und Landebahnen. Sperenberg bildet die richtige Adresse für den neuen Großflughafen mit Superkapazitäten. Und der Gedanke an den täglichen Autokorso quer durch Berlin und dann über die neue achtspurige Maut-Autobahn bis zur Abfahrt „Roter Baron“ macht jetzt schon ganz geil. Da ist es nur logisch, mit dem Klimakiller Nummer eins gegen den Klimakiller Nummer zwei zu protestieren. Rolf Lautenschläger
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