■ Mit Vox startet am Montag ein neuer Kommerz-Sender: Hirn vom Himmel
Auch wenn man noch nicht weiß, ob Vox sein Werbeversprechen einlösen kann, zum „Ereignisfernsehen“ zu werden, eines ist gewiß: Der neue Kommerzsender aus Köln ist selbst ein mediales Ereignis. Standen den Blattmachern mit „Spiegel-“ oder „Stern-TV“ bisher nur Fenster bei RTL und Sat.1 offen, können sie am Montag den Sendestart eines echten Verlegerfernsehens feiern. Von der Süddeutschen Zeitung bis zur Zeit hat sich die schreibende Presse bei den Bertelsmännern Plätze gesichert. Kein Wunder: Die Informationsgesellschaft steigt immer mehr von Print- auf visuelle Medien um. Da ist es gut, einen Fuß in der Tür zu haben. Abgesehen davon, daß nur die Großen sich den Einstieg leisten und ihre Sicht der Dinge multiplizieren können: Was da aus einer unabhängigen Fernsehkritik der Zeitungen werden soll, steht nach der endgültigen Aufhebung der medialen Gewaltenteilung natürlich auf einem anderen Blatt (zum Beispiel in der taz).
Begnügten sich die Monopolisten wie Springer, Kirch und Co. bislang mit der Umsetzung ihrer Boulevardprodukte in Bilder und dem Abspulen von Spielfilmen, soll jetzt die letzte öffentlich-rechtliche Bastion genommen werden. Während sich ARD und ZDF immer weiter trivialisieren, übernimmt Vox öffentlich-rechtliche Aufgaben und hat deshalb verdiente Veteranen aus der Zeit der alleinigen Bildschirmherrschaft eingekauft. Der vorauseilende Gehorsam rächt sich.
Bislang haben die Medienanstalten, die für hundert Millionen Mark im Jahr den Kommerz-Funk beaufsichtigen sollen, dem Entstehen der Großimperien um Kirch/Springer und Bertelsmann nur symbolische Gesten entgegengesetzt. Weil die Standortpolitik in den einzelnen Ländern immer wichtiger war als die Konzentrationskontrolle, sind Senderfamilien entstanden, mit denen die Medienkonzerne ihr Angebot so lange ableiern, bis es sich wirklich gelohnt hat. Daß sich Vox durch die Konkurrenz allzu vieler Nachrichtenkanäle pro Zuschauer dazu gezwungen sah, sich zu einem „informationsorientierten Vollprogramm“ zu wandeln, kann andere Familienmitglieder nur freuen: Der Pay-TV-Kanal „premiere“ — auch Bertelsmann — freut sich beispielsweise jetzt schon auf die Gelegenheit, seine teuer erkauften Filme an die Kölner weiterzuverhökern. Der Medienzirkel schließt sich. Und wie heißt es noch selbstbewußt-siegessicher auf allen Plakatwänden? „Am Montag brauchen Sie ein Zusatzgerät. Ihren Kopf.“ Wenn es denn am Beginn der Woche Hirn vom Himmel regnet, dann bitte auf die Köpfe der Lizenzhüter der Landesmedienanstalten. S. Jaspers/H.-H. Kotte
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