■ Mit Volvos Sanierung auf du und du: Bier, Tabak und Autos
Stockholm (taz) – Am Ende bekam Volvo doch seinen Willen. Fast. Im Frühjahr letzten Jahres hatte die schwedische Regierung noch eine Übernahme des Lebensmittel- und Arzneimittelkonzerns Procordia durch Volvo gestoppt, der zu je 42,7 Prozent dem Karossenbauer und dem Staat gehörte. Ende letzter Woche präsentierten Volvo-Chef Pehr Gyllenhammar und Ministerpräsident Carl Bildt in trautem Miteinander einen als „Einigung“ verschleierten Sieg Volvos: Der Autokonzern darf die lukrative Lebensmittelhälfte des geteilten Procordia-Konglomerats übernehmen.
Die Gewinne aus den Bier-, Tabak-, Streichholz-, Fischbällchen- und Süßigkeitenunternehmen Procordias – Gewinn pro umgesetzte Krone im vergangenen Jahr nahezu 10 Prozent – kann Volvo in den kränkelnden und rote Zahlen schreibenden Personen- und Lastwagensektor stecken, damit dieser wieder Gewinn und Dividenden abwirft. Willkommener Nebeneffekt: Man wird wieder interessanter für Renault, mit dem es langfristige Fusionspläne gibt.
Jetzt steht noch die Privatisierung des Arzneimittelbereichs von Procordia aus, der gegenwärtig zu 60 Prozent dem Staat gehört. Mit dem Verkauf hofft die schwedische Regierung, vier bis fünf Milliarden Mark einzunehmen. Doch über Vorkaufsrechtsregelungen kann Volvo wieder zuschlagen und seinen jetzigen 25-Prozent- Anteil dort auf ein Mehrheitsniveau hochschrauben.
Vor einem Jahr scheiterte der Versuch, auf direktem Wege zum Procordia-Ziel zu kommen. Jetzt hat Gyllenhammar – „wir brauchen für Volvo dringend cash flow“ – auf indirektem Weg das gleiche erreicht. Die Regierung Bildt konnte ihr Gesicht wahren, die Börse freut es, und Volvo hat in den letzten Monaten schon so viele Leute auf die Straße gesetzt, daß nun zumindest die Übriggebliebenen hoffen können, dank der Procordia-Infusion ihren Job behalten zu können. Die schwedischen VerbraucherInnen aber müssen auch weiterhin überhöhte Lebensmittelpreise zahlen, weil kein ausländischer Käufer zum Zuge gekommen ist und kommen wird. Noch Fragen zum Verhältnis zwischen Staat und Großkapital im Musterland Schweden? Reinhard Wolff
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