■ Mit Versicherungsgewinnen auf du und du: Ganz stille Gewinne
Karlsruhe (dpa/taz) – Wer eine Lebensversicherung abschließt, erwartet, daß sein Geld gut angelegt ist und daß die Gewinne der Versicherung als Prämien weitergegeben werden. Doch beide Erwartungen werden von deutschen Lebensversicherungen zumindest zum Teil enttäuscht. Genaue Informationen über ihren Erfolg geben die Versicherungen nicht heraus. Und an einem Teil der Gewinne werden die Kunden nicht beteiligt.
In einem Musterprozeß vor dem Bundesgerichtshof versuchte ein Kläger nun, die Lebensversicherungen zu einer anderen Gewinnberechnung zu verpflichten. Denn bisher setzen sie ihre eigenen Gewinne so niedrig wie möglich an. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen von den Beiträgen der Versicherten Häuser und Grundstücke kauft, dann taucht in der Bilanz nur der Anschaffungspreis auf; zusätzlich werden Abschreibungen abgezogen. Daß aber der Wert fast aller Gebäude schnell wächst, wird nicht berücksichtigt.
Dadurch sammeln sich bei den Lebensversicherungen enorm hohe „stille Reserven“ an. Der Bund der Versicherten schätzt, daß die Versicherungen Immobilien und Aktien für mehrere hundert Milliarden Mark besitzen, aber in den Bilanzen nicht zum Marktwert angeben.
Dies sei eine „Oase in den Bilanzvorschriften“, argumentierte der Kläger nun in Karlsruhe. Er forderte deshalb, daß die Versicherungen die wirklichen Werte ihrer Immobilien und Aktien angeben müssen. Darüber hinaus sollten die Gewinne an die Kunden weitergeleitet werden.
Doch die Karlsruher Richter sehen keinen Grund für Glasnost im Versicherungssektor. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Informationen, urteilten sie. Und die Milliarden aus den stillen Reserven würden zurecht zurückgehalten. Denn in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sei nichts anders vorgesehen, heißt es in dem Urteil (AZ IV ZR 124/93).
In wenigen Jahren wird sich der Kläger trotz Niederlage zumindest etwas besser informieren können. Denn die EU hat festgelegt, daß ab 1999 die Höhe der stillen Reserven angegeben werden muß. Dadurch wird die Lebensversicherung des Klägers zwar nicht rentabler, aber immerhin transparenter. Felix Berth
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