■ Mit Türkeis Zukunftsplänen auf du und du: Oliven oder Gold
Berlin (taz) – „Die Goldindustrie ist bei uns schon über Leichen gegangen“, berichtet Birsel Lemke aus Bergama, dem antiken Pergamon. Als auf dem Friedhofsgelände des kleinen Nachbardorfes Ovaciks das edle Metall entdeckt wurde, mußten die Toten weichen. Jetzt haben die Stadtoberhäupter mehrerer Orte an der türkischen Ägäisküste Asyl in Deutschland für ihre BürgerInnen beantragt. „Wenn die Goldabbaupläne wahr werden, dann gibt es keine Lebensgrundlage mehr“, sagt Lemke, die zusammen mit mehreren türkischen Bürgermeistern die Bundesrepublik besucht. Zur Zeit leben die Menschen in der Gegend vom Olivenanbau und Tourismus. Beides wäre durch das Gold gefährdet – denn die Erze müssen mit hochgiftigem Quecksilber oder Natriumzyanid ausgewaschen werden. Wer aber will schon Ferien neben einer Giftdeponie machen?
An mehreren hundert Stellen in der Türkei planen Bergbauunternehmen den Goldabbau. Die deutsche Metallgesellschaft wollte mit ihrer Tochter Eurogold dabeisein, Preussag gründete aus diesem Grund die Tüprag. Auch die Dresdner Bank sagte als Co-Finanzier für die Gegend von Bergama einen Kredit zu, der allerdings bis Ende September hätte abgerufen werden müssen. Und Degussa war als Lieferantin von Zyanid im Gespräch. „Die deutschen Firmen haben zwar offiziell ihre Anteile verkauft“, sagt Petra Sauerland von der internationalen entwicklungspolitischen Gruppe Fian, die das Recht, sich zu ernähren, auf ihre Fahnen geschrieben hat. Aber sie glaubt, daß sie indirekt weiter beteiligt sind. „Die Tüprag wurde zwar an die südafrikanische Firma Gencor verkauft, jetzt aber steht die britische Preussag im Grundbuch“, hat sie festgestellt. Nach einer unveröffentlichten Studie des türkischen Meinungsforschungsinstituts Aras sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung gegen die Goldpläne. „Wir wollen erreichen, daß die Gegend als Biosphärenreservat ausgewiesen wird“, erklärt Lemke. Michael Succow, Professor für Landschaftsökologie und Vizepräsident vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bescheinigt der Region, alle Voraussetzungen für ein Zertifikat der Unesco mitzubringen. Doch die türkische Regierung, die bereits für bestimmte Landesteile Abbaugenehmigungen erteilt hat, setzt aufs Gold und behauptet, der Tagebau sei hervorragend mit den touristsichen und landwirtschaftlichen Zielen zu vereinbaren. Annette Jensen
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