: Mit Scham, Charme und Skimütze
■ In Während du schliefst... verzaubert Sandra Bullock als Waise eine ganze Familie
Als strahlender Held der von ferne Geliebten zu Hilfe eilen und sie aus größter Gefahr erretten, das hat was – besonders, wenn zuvor alle konventionelleren Annäherungsversuche gescheitert sind oder aus lauter Schüchternheit gar nicht erst stattgefunden haben. Das umgekehrte Szenario, obwohl weniger populär, ist jedoch mindestens ebenso attraktiv. Dieser Film beweist es. Nach einem Sturz auf die U-Bahngleise die Augen aufschlagen und in Sandra Bullocks besorgtes Gesicht schauen – einen Engel zu erblicken kann kaum beglückender sein.
Ich muß dazu erwähnen, daß ich bisher kein ausgesprochener Sandra-Bullock-Fan war, eher im Gegenteil. Ihre Rollen in früheren Filmen waren aber auch ziemlich undankbar: Demolition Man und Speed hätten auch ohne sie funktioniert. Sie war das etwas blasse Anhängsel der männlichen Hand-lungsträger. Ganz nett anzusehen, aber nicht wirklich wichtig.
While You Were Sleeping, wie der Film im Original heißt, ist dagegen ganz und gar ihr Film. Bezaubernd die Verlegenheit, mit der sie dem geretteten Gebliebten und seiner skurrilen Familie begegnet; entwaffnend der Charme, mit dem sie zudringliche Verehrer abwehrt. Ein strahlender Auftritt, den sie auch dem raffiniert konstruierten Drehbuch von Daniel G. Sullivan und Fredric Lebow verdankt: Immer im genau richtigen Moment klingelt das Telefon oder taucht eine neue Person auf und treibt die Geschichte voran.
Denn natürlich ist es mit der dramatischen Lebensrettung nicht getan, das wäre für einen abendfüllenden Film gleichermaßen zu wenig wie für eine große Liebe. Die muß sich erst bewähren, muß wachsen im Kampf gegen Widerstände. Verdächtigungen, Eifersucht. Die abenteuerlichen und aberwitzigen Verwicklungen, die Sandra Bullock daher durchleben muß, ehe sie ihren Geliebten endlich in die Arme schließen kann, bestätigen dabei noch eine weitere, allseits bekannte Wahrheit über die Liebe: Sie hat mit Lust zu tun. Deswegen ist dieser Film ausgesprochen lustig.
Und noch etwas lernen wir gemeinsam mit der U-Bahnangestellten Sandra Bullock: Liebe hält sich nicht an Fahrpläne. Sie läßt sich nicht zwingen, sondern kommt, wann sie will – manchmal ganz überraschend und ohne sich gleich zu erkennen zu geben. Ein schöner Film, der einsame Herzen und langjährige Paare gleichermaßen frohgestimmt in die rauhe Wirklichkeit zurückkehren läßt.
Hans-Arthur Marsiske
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