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■ Mit Rubelscheinen auf du und duDrucken gegen Inflation

Berlin (taz) – Die Bekämpfung der Inflation hat Rußlands neue Regierung zum wichtigsten Ziel erklärt. Als erste Amtshandlung jedoch überzeugte sie das Präsidium des Obersten Sowjet, daß Rußland einen größeren Geldschein braucht: den 10.000-Rubel- Schein. Wie russische Nachrichtenagenturen berichteten, will die Regierung so den „Geldumlauf innerhalb der Rubel-Zone stabilisieren“.

Die Einführung der 10.000- Rubel-Note, die einem anderthalbfachen monatlichen Durchschnittseinkommen entspricht, stabilisiert die Währung keinesfalls, sondern verdeutlicht nur den rapiden Wertverlust der russischen Währung. War vor einem Jahr noch die 100-Rubel- Note der größte Geldschein, wurden seit Beginn des Jahres 200-, 500-Rubel- und 1.000-Rubel-Scheine und im Juli schließlich 5.000-Rubel-Geldnoten ausgegeben, auf denen erstmals Lenins Kopf weggelassen wurde. Auch der 5.000er konnte den akuten Bargeldmangel nicht stoppen: Oft zahlen die Unternehmen ihren Beschäftigten kein Bargeld aus (Gehaltskonten sind unbekannt), sondern Sachlöhne.

Die steigenden Preise und die Geldentwertung sind das Thema Nr. 1 in Rußland. Die Ankündigung, die Inflation stoppen zu wollen, ist daher höchst populär. Für die Umsetzung allerdings wären Wirtschaftsreformen notwendig – und die läßt die neue Regierung nicht erwarten. So soll die Industrie weiterhin aus dem Staatshaushalt subventioniert werden, was einer inflationssenkenden Geldverknappung diametral entgegensteht. Geblieben ist die Monopolstruktur der Betriebe, so daß heute die „freien“ Preise nicht mehr von Behörden, sondern von Industriekartellen diktiert werden.

Ein Anti-Inflations-Programm hatte auch die Gaidar- Regierung nie aufgelegt. Schon die Bestimmung der Inflationsrate, welche die Regierung jetzt mit 2.000 Jahresprozent angibt, fällt schwer. Nirgendwo nämlich ist amtlicherseits ein Warenkorb definiert, nach dem sich Preissteigerungsraten berechnen ließen. Niemand auch weiß, wieviel denn an Waren und Dienstleistungen produziert wird, um sie mit einer definierten Geldmenge ins Verhältnis setzen zu können und daraus auf die Inflationsdynamik zu schließen.

Selbst das Wechselkursverhältnis zur Parallelwährung US- Dollar sagt vor allem etwas über die tiefe Vertrauenskrise der RussInnen in die eigene Währung aus. Denn für einen Dollar könnte man auch in Rußland kaum soviel produzieren, wie man auf den Märkten für 414,5 Rubel (Kurs vom Samstag) kaufen kann. Donata Riedel

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