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■ Mit Papierholz auf du und duVerlage lassen sägen

Berlin (taz) – Verbrauchertäuschung werfen Robin Wood und Pro Regenwald den Papierherstellern und Verlagen vor: Der Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) hatten im März 1996 öffentlich erklärt, für ihre Produkte keine Bäume aus nordeuropäischen Urwäldern zu verwenden. Trotzdem sei von den skandinavischen Lieferanten der Papierindustrie weiterhin Holz aus den dortigen alten Beständen verarbeitet worden, klagt Robin Wood.

Gestern besuchten Waldspezialisten der Umweltorganisationen die Vertreter der deutschen Papierindustrie in Bonn. Diese waren aus dunklen Kanälen vorgewarnt und hatten gleich ein paar Mannschaftswagen der Polizei auffahren lassen. Nach länglicher Diskussion konnte dem Papierverband aber doch eine Liste der Holzeinschläge in skandinavischen Urwäldern vorgelegt werden. Teilweise sind mehrere hundert Hektar am Stück den Forstmaschinen zum Opfer gefallen. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld ist zwei Drittel Hektar groß.

Die Papierindustrie ist in ihrer Erklärung vom März 1996 auf einen Trick gekommen: Für Druckpapiere darf kein Holz aus von Menschen unberührten Flächen Nord- und Mitteleuropas verwendet werden, heißt es sinngemäß zur Definition von Urwald. Solche „unberührten“ Flächen gibt es dort aber nicht mehr. Fazit der Waldschützer: „Sie verzichten auf etwas, das es gar nicht mehr gibt.“

Nachdem die Liste mit Dutzenden von konkreten Beispielen vorlag, sahen die Vertreter der Papierindustrie immerhin einen gewissen „Klärungsbedarf“. Bisher hatten sie selbst das verweigert. Kein einziger deutscher Hersteller von Zeitungs- oder Zeitschriftendruckpapieren hat bisher Konsequenzen daraus gezogen, daß die Skandinavier weiterhin Zellstoff aus den ursprünglichen Primärwäldern gewinnen.

Sowohl in Finnland und Schweden als auch in Norwegen werden nach wie vor alte, artenreiche Baumbestände abgeholzt („Old-Growth-Wälder“). Menschen kommen hier durchaus auch einmal durch. Doch werden keine Bäume angepflanzt, niemand pflegt den Wald. Nadel- und Laubbäume stehen ebenso wild durcheinander wie alte und junge. Tote Bäume können über Jahrhunderte vor sich hin faulen. Große alte Laubbäume wie Zitterpappeln bilden oft für 50 verschiedene bedrohte Arten einen Lebensraum.

Die nördlichen Taigawälder – auch boreale Wälder genannt – ziehen sich wie ein Band um die Erdhalbkugel. Ein Drittel der Wälder der Erde wächst in den Nordländern. In Finnland, Schweden und Norwegen stehen bis auf fünf Prozent Old Growth auf der gesamten produktiven Forstfläche bewirtschaftete Sekundärwälder oder Plantagen. In Alaska, Kanada und Sibirien gibt es noch größere Urwaldflächen.

Für Skandinavien ist die deutsche Papierindustrie ein maßgeblicher Faktor. 60 Prozent seines Holz-, Papier- und Zellstoffbedarfs deckt Deutschland von dort. Die letzten Reste der urwaldähnlichen Waldstücke sind bedroht, weil viel zu wenige unter Schutz stehen. rem

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