■ Mit Osteuropas Waffen auf du und du: Friedenspleite
Wien (AFP) – Ein Heer von Rüstungsarbeitern belagert den Arbeitsmarkt osteuropäischer Länder. In Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, der Tschechischen und der Slowakischen Republik halten die einst für den Warschauer Pakt produzierenden Waffenschmieden meist vergeblich Ausschau nach neuen Märkten. Mindestens 139.000 Arbeiter wurden in diesen Staaten seit 1989 aus der Rüstungsindustrie entlassen.
Die Firmen in der Slowakei konnten noch 1989 Waffen im Wert von 690 Millionen Dollar absetzen, drei Jahre später mußten sie sich mit 50 Millionen Dollar begnügen. In Polen ging der Verkauf im gleichen Zeitraum um die Hälfte zurück. Ähnlich in Bulgarien: Dort exportierten die Unternehmen ehemals Rüstungsgüter für 600 bis 800 Millionen Dollar. Inzwischen mußte die Produktion um rund zwei Drittel gedrosselt werden. Der militärische Komplex in Ungarn war zwar nur zu zehn Prozent auf Waffen eingestellt. Dennoch schränkte die Industrie des Landes ihre Rüstungsproduktion um 90 Prozent ein, rund 95 Prozent weniger sind es in Rumänien.
Die Auflösung des Warschauer Pakts ist nicht der einzige Grund für die Krise. Die osteuropäische Rüstungsindustrie leidet auch unter dem weltweiten Trend zur Kürzung der Verteidigungsetats. Außerdem sollen sich die Länder neuerdings an UN-Resolutionen halten, die den Handel mit Libyen und dem Irak verbieten – einst Großkunden ihrer Waffenindustrie. Neue Absatzmärkte ließen sich nicht finden, so daß in der Slowakei bereits 42.000 Menschen, in Polen 60.000, in Bulgarien 25.000 und in Rumänien 12.000 Menschen ihren Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie verloren.
Einige Staaten warnten schon vor einer neuen Entlassungswelle. So kündigte etwa der rumänische Verteidigungsminister Niculae Spioiu an, daß weitere 60.000 Arbeitsstellen in Gefahr seien. Die Umstellung der Produktion auf zivile Güter wird meist als zu teuer für die angeschlagenen Volkswirtschaften betrachtet. Viele Waffenfabriken suchen ihr Heil lieber in der Konzentration. Zwölf tschechische Firmen schlossen sich im Juni zur Gesellschaft „R.D.P. Gruppe“ zusammen. Die Strategie des neuen Rüstungsgiganten RDP sieht vor, beim Umbau der tschechischen Armee ein Wörtchen mitzureden und eine Schnellfeuerhaubitze herzustellen. Außerdem soll der sowjetische Panzer vom Typ T 72 modernisiert werden, um auf den internationalen Märkten mit der Konkurrenz aus dem Westen mithalten zu können.
Auch eine Zusammenarbeit mit den ehemaligen Feinden ist nicht mehr ausgeschlossen. Die RDP plant bereits die Kooperation mit der französischen Gesellschaft SOFMA, die auf Waffenexporte und Technologietransfer spezialisiert ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen